Klimacamp mitten in der City

Fridays for Future: In Köln streikten Aktive der Bewegung eine ganze Woche lang

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Mittwochabend auf dem Alten Markt in Köln, in der Mitte des Platzes stehen Pavillons und ein großes Zelt. Zwei Dutzend meist junge Menschen lümmeln auf Sofas, Isomatten, Schlafsäcken oder direkt auf dem Pflaster herum. Die meisten gehen noch zur Schule. Es sind aber auch ganze Familien dabei. Seit Montag kampieren sie hier, um ihrer Forderung nach ernsthaften Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels Nachdruck zu verleihen.

Manche der Anwesenden sind auch vom angekündigten Poetry Slam angelockt worden. Sie müssen sich gedulden. Nach Verhandlungen mit Stadt und Polizei ist den Streikenden ein zweites, großes Schlafzelt genehmigt worden. Für den Abend ist Regen angekündigt, das Zelt soll stehen, bevor der einsetzt. Eine Aktivistin bittet per Megafon um Stoffbeutel: »Ihr kriegt die etwas schmutziger zurück, wir wollen die mit Sand füllen.« Die Beutel sollen die Füße des Zeltes beschweren. Als genug »Sandsäcke« da sind, beginnt der Poetry Slam. »Hans A Pils« macht sich Gedanken darüber, wie das Leben als Baum wäre.

Leonie Bremer hat das Protestcamp angemeldet. Sie geht schon seit Dezember freitags auf die Straße. Die Ausrufung des Klimanotstands durch den Kölner Stadtrat am Dienstag findet sie nicht ausreichend. Die Stadt habe der Klimaverträglichkeit aller politischen Entscheidungen nur »hohe«, aber nicht »höchste Priorität« eingeräumt, kritisiert sie. Die Stadt müsse sich bei allen Vorhaben über deren Umwelteinflüsse informieren, fordert Bremer. Sie habe sich bisher aber »nicht zu irgendwas verpflichtet, was Maßnahmen angeht«.

Bremer sieht den Klimawandel als »Existenzfrage«. Die Streikwoche füllen die Teilnehmenden unter anderem mit Vorträgen und Workshops, in denen es unter anderem um globale Erwärmung oder Veganismus geht; die »Kritischen Aktionäre« stellen ihre Arbeit vor. Nach Köln sind Streikende aus vielen Städten gekommen. Zugleich gibt es auch in Bremen eine »Week for Future«. In der Hansestadt fand in der Nacht zum Dienstag ein Polizeieinsatz statt, weil eine Kundgebung nicht angemeldet war. Anschließend entschuldigte sich der Bremer Polizeipräsident bei den Schülern und räumte ein, man hätte mit der Situation auch anders umgehen können.

Am Mittwoch drohte der Präsident der Kultusministerkonferenz, Alexander Lorz, den Schülern Strafen an, sollten sie freitags weiter nicht zum Unterricht erscheinen. Der hessische CDU-Mann erklärte gegenüber der »Zeit«, man könne Sanktionen nicht ausschließen, sollte nach den Sommerferien weitergestreikt werden. In Köln sind bisher zwar keine Bußgelder verhängt worden. Ärger gab und gibt es aber immer wieder an einzelnen Schulen. Aus dem Bildungsministerium Nordrhein-Westfalen heißt es allgemein, unentschuldigtes Fehlen werde dokumentiert. Eltern seien für die Teilnahme am Unterricht verantwortlich. Dazu verweist man auf Sanktionsmöglichkeiten laut Schulgesetz.

Leonie Bremer kündigt an, dass Aktive von »Fridays for Future« (F4F) auch in den Sommerferien und darüber hinaus auf die Straße gehen werden: »Wir streiken, bis Maßnahmen umgesetzt werden, die dafür sorgen, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens eingehalten wird.« Eine C02-Besteuerung sei dafür in keiner Weise ausreichend, findet Bremer.

Beim Poetry Slam rechnet derweil ein Slammer mit dem Kapitalismus ab. Nach seinem Beitrag wird eine kurze Pause eingelegt, denn ein paar Regentropfen fallen, und das zweite Schlafzelt ist fertig. Es soll an seinen Platz gestellt werden. Danach sind Schlafplätze für 80 Menschen da, die auch gefüllt werden. Weitaus größer als das Streikcamp in Köln dürfte der Sommerkongress von F4F Anfang August in Dortmund werden. Dann sind in allen Bundesländern Schulferien, und auch an den Unis ist vorlesungsfreie Zeit.

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