Idriss Déby muss Zuhause bleiben

Tschads Diktator ist Frankreichs militärischer Bündnispartner Nr. 1 in Afrika, aber in Biarritz nicht willkommen

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ton ist anders, die politische Ausrichtung ist unverändert: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war so freundlich, Vertreter der fünf zum G7-Gipfel eingeladenen Länder Burkina Faso, Senegal, Ägypten, Ruanda und Südafrika bereits in die Vorbereitungstreffen einzubinden. Sie durften auch ihre Afrika-Strategien in die Gespräche einbringen. Bis dato durften ausgewählte afrikanische Gäste bei G7-Gipfeln nur im Rahmenprogramm auftreten, ohne vorab inhaltlich mitwirken zu dürfen.

Die neue Initiative der G7 auf dem afrikanischen Kontinent folgte freilich dem gängigen Muster: Die G7-Länder wollen stärker als bisher gegen islamistischen Terrorismus in Westafrika vorgehen. »Entwicklung ohne Sicherheit ist nicht möglich, und deshalb müssen wir die Sicherheit stärken«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit Macron neue Hilfen für die Staaten in der Region ankündigte. Es gehe um Logistik, Ausrüstung und Ausbildung. »Es geht jetzt hier nicht direkt darum, dass wir mehr Truppen senden«, sagte Merkel. »Die Terroristen sind schnell, deshalb müssen wir schneller werden«, hatte Angela Merkel bei einem Besuch im Frühjahr in Burkina Faso die Marschroute vorgegeben. Deren Präsident Roch Marc Kaboré stand stellvertretend für die Sahelstaaten im Casino-Gebäude an der französischen Atlantikküste neben Macron und Merkel auf dem Podium.

Die Lage in den Kern-Sahelstaaten verschlechtert sich seit dem Putsch in Mali 2012 rapide. So wurden 2015 in Burkina Faso noch vier Angriffe islamistischer Terroristen registriert, 2018 waren es schon 160. In Mali sind über 800 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der UN-Mission MINUSMA stationiert. Allein Frankreich setzt in Westafrika 4000 Soldaten im Antiterrorkampf ein.

Bis Spätherbst soll die Initiative mit Leben erfüllt werden. Geplant ist ein spezielles Programm für die Sahelzone. Frankreich und Deutschland wollen den Sahelstaaten Mali, Burkina Faso und Niger militärisch und wirtschaftlich unter die Arme greifen. Erstes Ziel: die in der Sahel-Zone umherziehenden Terrormilizen erfolgreicher zu bekämpfen. Zweites Ziel: Bessere Lebensverhältnisse zu schaffen, um Anreize zu schaffen, dass die Menschen dort bleiben, statt sich wegen Perspektivlosigkeit gen Europa aufzumachen. Schließlich sind alle drei bedeutende Transitländer, so ist etwa der Migrationskorridor zwischen Burkina Faso und der benachbarten Côte d'Ivoire der zweitgrößte in Afrika.

Hilfsorganisationen reagierten kritisch. »Sicherheitspolitische Mittel sind kein Allheilmittel für die strukturellen Probleme, wir benötigen umfassende entwicklungspolitische Ansätze mit einem zentralen Fokus auf dem Kampf gegen soziale Ungleichheit«, sagte Jörn Kalinski von Oxfam. »Keine Sicherheit ohne Entwicklung«, sagte Friederike Röder von ONE und kehrte damit die Prioritäten von Merkel um. 40 Prozent der Bevölkerung in der Sahelzone lebten in Armut.

Deutschland und Frankreich hatten bereits 2017 die »Allianz für den Sahel« ins Leben gerufen, die Bildungsangebote und Investitionen vorsah, aber auch die Unterstützung des Militärbündnisses »G5 Sahel Joint Force« mit insgesamt 100 Millionen Euro. Die sogenannten G5 bilden die Staaten Mali, Niger, Tschad, Mauretanien und Burkina Faso.

Im Norden Malis konnten die Dschihadisten zwar verdrängt werden, allerdings breiten sie sich nun im Landesinneren aus, wo die malische Regierung sie mithilfe lokaler Milizen bekämpft. 14 000 Blauhelme sind in Mali stationiert. Mehr als die Dschihadisten aus den Städten verdrängt haben sie nicht. Dass sich die Dschihadisten infolgedessen auch verstärkt im Nachbarstaat Niger tummeln und ausbreiten, ist ein unbeabsichtigter Nebeneffekt.

Nicht nur Niger, auch Burkina Faso hat unter der Instabilität zu leiden, vor allem weil es zwischen Zentralmali und Westniger liegt und diese beiden Regionen Hochburgen der Dschihadisten sind. In einigen burkinischen Provinzen herrscht der Ausnahmezustand, Tausende Schulen wurden geschlossen, um Kinder vor Anschlägen zu schützen. Terroristen, die dem al-Qaida-Netzwerk zugeordnet werden, haben mehrfach zugeschlagen. Erst vergangenen Montag wurden in Kotougou über 20 Soldaten bei einem Angriff getötet.

Nicht nach Biarritz geladen, war der bisher wichtigste militärische Bündnispartner Frankreichs in Afrika: Idriss Déby, der seit seinem Putsch 1990 in Tschad regierende Diktator. In Tschad befindet sich seit Ende 2014 das Hauptquartier der französischen Saheltruppe »Operation Barkhane« mit über 4000 Soldaten.

Das zentralafrikanische Land ist einer der blutigsten und repressivsten Diktaturen des Kontinents. Bisher interessierte sich Macron nicht für die Menschenrechtsverletzungen dort. Stattdessen feierte er 2018 mit dort stationierten französischen Soldaten Weihnachten. Déby sieht sich im eigenen Land indes mit Widerstand konfrontiert, weil er seine Präsidentschaft noch einmal verlängern will. Mit ihm offen in Biarritz zu posieren, hätte in Macrons Gipfelinszenierung dann doch nicht gepasst.

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