Ein paar Zeilen Sonnenschein

Christoph Ruf will nicht nur meckern: So wie die Spielzeit losging, könnte den Fans noch viel Freude bevorstehen

Es ist an dieser Stelle schon viel geschimpft worden, harmoniebedürftige Menschen würden vielleicht ergänzen: zu viel. Umso wichtiger scheint es mir, in dieser Spielzeit bereits nach grob geschätzt neun Prozent der zu absolvierenden Spiele ein wenig Sonnenschein aus den Zeilen scheinen zu lassen. Zumal Sie auf den anderen Seiten noch genug an Deprimierendem über die Kalbitze und Trumps dieser Welt lesen müssen.

Schon der Samstag war aus fußballerischer Sicht höchst erfreulich. Vor allem, weil sich der Verdacht bestätigte, dass in dieser Saison selbst im Tabellenkeller ernsthaft versucht wird, Fußball zu spielen und das Publikum nicht mit blind nach vorne gekloppten Verzweiflungsbällen zur Raserei zu bringen. Beim Kölner Spiel in Freiburg sah man zwar einige Abspiel- und Stellungsfehler mehr als in der Champions League und natürlich ist der Ball für einen handelsüblichen Spieler eines der beiden Vereine runder als für Messi oder Ronaldo.

Doch beide Mannschaften versuchten, sich mit fußballerischen Mitteln nach vorne zu kombinieren, lange Bälle standen bei beiden Trainern auf dem Index. Nicht anders die Underdogs aus Paderborn, die verdientermaßen in Wolfsburg einen Punkt mitnahmen und dank ihres Trainers Steffen Baumgart das haben, was vor allem einigen Ehrgeizlingen der Liga abgeht: eine fußballerische Identität, die dafür sorgt, dass auch Leute, die von Fußball nicht viel verstehen, erkennen würden, dass der Aufsteiger genau so spielen will. Auch Mainz ist unter Coach Sandro Schwarz entschlossen, den eigenen Fans etwas für ihr Geld zu bieten. Gegen den FC Bayern klappte das nicht immer. Doch immerhin hatte die Mainzer Führung sage und schreibe eine halbe Stunde Bestand. Zwischen der 6. und der 36. Minute lagen die 05er vorne. Man muss schon ein ziemlicher Kleingeist sein, wenn man jetzt rechthaberisch ergänzt, dass die Bayern dann zwischen der 36. Und der 81. Minute noch sechs Tore schossen.

Nein, die Ehre, für etwas Spannung in dem zu nennen, was man seit Jahren irreführenderweise den »Kampf« um die Meisterschaft nennt, die gebührt nicht den freundlichen 05ern. Sondern den toughen Schlosserjungs aus Berlin-Köpenick, die völlig verdientermaßen 3:1 gegen Borussia Dortmund gewannen. Man soll ja nichts beschreien, aber wenn es in den ausstehenden 31 Spieltagen so lustig weitergeht, wird zwar - natürlich - entweder der FC Bayern oder der BVB Meister. Aber Millionen von Teenagern, die in den Fanklamotten der beiden Großen herumlaufen, wird noch ein paar mal eine pädagogisch wertvolle Erfahrung zuteil: die, dass man im Leben auch mal verlieren kann.

So weit zum Geschehen auf dem Platz, das in anderen Zeiten schon viel nervtötender war. Im Spätsommer 2018 zum Beispiel, als Teams wie Hannover oder Nürnberg zwar taten, was sie konnten, dabei aber vor allem zeigten, dass das nicht viel war. Und wo Mannschaften wie Schalke oder Stuttgart einen Fußball zeigten, den man zwar taktisch analysieren kann, wenn man das will - für den man aber definitiv keinen Cent Eintritt bezahlen sollte. Zumindest dann nicht, wenn man im Stadion auch hin und wieder mal aufs Spielfeld schaut.

Doch nicht nur auf dem Platz war der gerade zu Ende gegangene August ein Quell der Freude. Ob der DFB reformfähiger ist als der echte Vatikan, muss zwar immer noch vehement bezweifelt werden. Nach wie vor entscheidet ja offenbar das Präsidium, wessen Kandidatur auch als würdig zu erachten ist und wessen nicht. Und nach wie vor finden »Wahlen« ohne Gegenkandidaten statt. Doch dass Fritz Keller, der Letzteres aus Freiburg kennt, im Vergleich zu seinem Vorgänger eine intellektuelle wie charismatische Lichtgestalt ist, das stimmt halt auch. Wenn Kritik an einer so exponierten Figur, wie sie Keller bald sein wird, lagerübergreifend fast völlig ausbleibt, ist das verdächtig. Oder es zeigt, wie tief das Ansehen des DFB schon gesunken ist.

Aber lassen Sie uns diese Kolumne doch so optimistisch beenden wie wir sie angefangen haben. Damit das gelingt, schlage ich Ihnen eine Prognose vor: Irgendwann, in ferner Zukunft, wird mal ein anderer Verein als die Bayern oder der BVB Meister. Und die Männerriege DFB bekommt eine Präsidentin.

Beides wird irgendwann passieren. Und mit nur einem kleinen bisschen Glück wird der ein oder andere von uns es auch noch erleben. Ist das nicht schön?

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