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Beim Geld hört die Redefreiheit auf

Zum Beginn der neuen Spielzeit tut sich die US-Basketballliga NBA schwer mit Kritik an Chinas Hongkong-Politik

Ein junges Sprungwunder und jede Menge neue Superduos - das sollte die Erzählung des Starts in die neue NBA-Saison an diesem Mittwoch sein. Viele Basketballstars hatten die Teams gewechselt, was das Favoritenfeld in Nordamerika völlig durcheinanderwirbelte. Dazu kam im Sommer mit Zion Williamson ein ganz neuer Star in die Liga, der in der Vorbereitung bereits mit krachenden Dunkings nachwies, dass er in Sachen Show sehr gut in die NBA passen wird. Nun aber ist alles anders, denn in den vergangenen Wochen wurde fast nur noch über die China-Affäre und zwei Verletzungen diskutiert.

Der gerade erst 19-jährige Jungstar Williamson riss sich den Meniskus, wurde am Montag am Knie operiert und fällt für sechs bis acht Wochen aus. Der Schaden ist immerhin noch überschaubar. Ganz anders als bei Kevin Durant, der mit Kyrie Irving eigentlich ein neues Starduo bei den Brooklyn Nets bilden sollte. Sein Achillessehnenriss zum Ende der vergangenen Saison verhindert dies aber langfristig. »Wir erwarten, dass Kevin die komplette Spielzeit ausfallen wird,« sagte Manager Sean Marks im September.

Noch völlig unklar sind die Auswirkungen eines einzigen Tweets, den Generalmanager Daryl Morey von den Houston Rockets am 4. Oktober abgeschickt hatte: »Kämpft für Freiheit! Haltet zu Hongkong!«, stand darin. Chinas Machthaber konnten sich mit dieser politischen Meinungsäußerung eines US-Bürgers nicht anfreunden. Die Vorbereitungsspiele zwischen Brooklyn und den Los Angeles Lakers in Shanghai und Shenzhen wenige Tage danach wurden zwar nicht abgesagt, aber die geplanten Medientermine rund um die Partien schon.

Dabei hatte die NBA noch versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Moreys Tweet habe »viele Freunde und Fans in China tief verletzt, was bedauerlich ist«, teilte die Liga mit. Eine chinesische Version des Statements schien sogar noch weiterzugehen. Die NBA zeigte sich darin »extrem enttäuscht« von Moreys »unangebrachten Äußerungen.«

Die Liveübertragungen der zwei Partien in China wurden vom Staatssender CCTV trotzdem abgeblasen. Viel schmerzhafter für die Liga ist jedoch, dass mehr als zehn chinesische Sponsoren ihre Beziehungen vorerst auf Eis legten. So nahm beispielsweise der Reiseanbieter CTrip alle NBA-Reisen in die USA aus dem Katalog. Andere Sponsoren agieren zwar ausschließlich auf dem chinesischen Markt, aber laut Commissioner Adam Silver habe man bereits »substanzielle Verluste« verzeichnet. »Die finanziellen Konsequenzen könnten in Zukunft dramatisch ausfallen«, fügte der NBA-Chef hinzu.

Das Groteske ist, dass sich die NBA in der jüngeren Vergangenheit oft brüstete, die freie Meinungsäußerung von Spielern, Trainern und Funktionären zu fördern. Im Gegensatz zu den anderen großen Ligen im Football, Baseball und Eishockey konnte man immer wieder den Stars wie LeBron James, Stephen Curry oder Trainerlegenden Gregg Popovich und Steve Kerr dabei zuhören, wie sie etwa US-Präsident Donald Trump offen kritisierten. Da der Durchschnitt beim Personal und den Fans in der NBA eher jünger und liberaler ist als der in anderen Ligen, musste die NBA kaum finanzielle Einbußen befürchten.

Im Fall von China ist das aber anders. Spätestens seit Yao Ming 2002 sein NBA-Debüt - ausgerechnet für die Houston Rockets - gab und in den Folgejahren zum Star avancierte, hält ein NBA-Boom in China an. Unterstützt wird er von mehreren Staatsunternehmen, die als finanzkräftige Sponsoren firmieren.

Also wird die Redefreiheit nun zum Teufel gejagt. Als sich ein paar Fans während eines Vorbereitungsspiels der Philladelphia 76ers gegen ein Gastteam aus China ebenfalls mit Hongkong solidarisierten, wurden sie aus der Halle geschmissen. Der kritische Manager Morey wurde offenbar angehalten, seinen Tweet zu löschen und eine Entschuldigung zu veröffentlichen. Sogar Superstar LeBron James unterstellte Morey, dass er nur an sich selbst gedacht habe und »sich über die Situation nicht informiert hat. Viele Menschen hätten finanziell, physisch, emotional und spirituell verletzt werden können. Auch wenn wir Redefreiheit haben, sollten wir damit vorsichtig umgehen.« Über die Auseinandersetzungen in Hongkong wollte James, zu dem Zeitpunkt selbst in China, lieber nichts sagen. Der ebenso unausgesprochene Grund dafür dürften die vier Milliarden Dollar sein, die die chinesische Tochtergesellschaft NBA China mittlerweile wert sein soll.

All das kam wiederum in den USA nicht gut an. Sowohl der Liga als auch Superstar LeBron James wird vorgeworfen, vor China nur des Geldes wegen einzuknicken. Und so versuchte Commissioner Silver den Gang auf Messers Schneide. Die NBA entschuldige sich nicht für Moreys Tweet, betont er seit Tagen. Schließlich habe Morey das Recht auf freie Meinungsäußerung. »Ich bedauere nur, dass der Tweet Millionen Menschen verärgert hat. Wir versuchen, Träume und Hoffnungen zu verkaufen - und nicht Streit und Disharmonie zu säen«, so Silver. Er hoffe zudem, dass Chinas Führung die Situation im Kontext der jahrzehntelangen Partnerschaft betrachte.

Der Sturm wird sich vermutlich bald legen, denn im Grunde ist auch China nicht daran interessiert, den Bund mit der NBA zu kappen. All die Sponsoren wollen die angeblich 300 Millionen Basketball spielenden Chinesen nicht dauerhaft als Kunden verlieren. Und die Übertragung der regulären NBA-Spiele hat CCTV auch noch nicht abgesagt.

Die chinesischen Fans wollen ihre Stars aus Amerika auch weiter sehen. Trotz Boykottaufrufen in sozialen Netzwerken waren die Hallen bei den Spielen in Shanghai und Shenzhen voll besetzt - im Gegensatz zu vielen Partien bei der WM an selber Stelle vor wenigen Wochen.

Die Anhänger in Peking, Shanghai oder Guangzhou scheint der Streit weniger zu interessieren als die Frage, welches das beste neue Starduo sein wird: James und Neuzugang Anthony Davis bei den LA Lakers oder doch Kawhi Leonard und Paul George, die beide zum Stadtrivalen Los Angeles Clippers wechselten. Am interessantesten - auch in Bezug auf China - wäre es wohl, wenn sich Russell Westbrook und James Harden am Ende durchsetzen. Westbrook wurde schließlich von Daryl Morey in diesem Sommer nach Houston geholt.

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