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Mit dem Schwert an die Wurzel
Ein Deckel für die Symptome - die Enteignung für die Ursachen des Mietenwahnsinns.
Gibt es schon Rückmeldungen aus dem Einzelhandel oder von Gaststätten? Die müssten doch feiern«, fragt jemand aus dem Publikum die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (LINKE). Es ist Dienstagabend, im Lichtenberger Theater an der Parkaue, der Tag an dem der rot-rot-grüne Berliner Senat am Vormittag den Gesetzentwurf zum Mietendeckel beschlossen hat. Lompscher ist Gast des Abends, zu dem der in Lichtenberg direkt gewählte Linkspartei-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg eingeladen hat. »Kaufen, Bauen, Deckeln, Vergesellschaften - Kommunale Wohnungs- und Mietenpolitik in Berlin«, so das Motto des Treffens, bei dem die Besucher alle Fragen loswerden können.
»Das ist ein Kaufkraftgewinn in der ganzen Stadt. Das kann tatsächlich einen wirtschaftlichen Effekt entfalten«, beantwortet Lompscher die Frage. Laut Gesetzentwurf sollen die Mieten in der Hauptstadt mit Stichtag 18. Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren werden. Neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes - das Abgeordnetenhaus könnte es im Februar 2020 beschließen - sollen die rund 1,5 Millionen betroffenen Haushalte Mieten sogar die Absenkung von Bestandsmieten beantragen können. Grundlage ist eine Oberwerttabelle für alle vor 2014 fertiggestellten Wohnungen. Liegt die Miete mindestens 20 Prozent über den Werten, soll die Absenkung auf 120 Prozent greifen. Dazu kommen noch Zu- und Abschläge je nach Wohnlage. Für eine vor 1919 gebaute Wohnung in einfacher Wohnlage müsste demnach beispielsweise höchstens 7,46 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter überwiesen werden. Manche dieser Wohnungen werden für das Doppelte vermietet. Die Senatorin nennt das geplante Gesetz daher einen »Meilenstein in der aktuellen politischen Diskussion im Umgang mit den Wohnungsproblemen«. Aber sie warnt auch: »Es ist ein politisches Experiment, man kann das nicht anders sagen.« Lompscher ist überzeugt: »Wenn wir uns vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen, werden wir ein Vorbild für andere Bundesländer.«
»Ich bin tatsächlich gelassen bei der Prüfung durch ein Verfassungsgericht«, sagt Sebastian Schlüsselburg, der studierter Jurist ist. Die grundsätzliche Kompetenzfrage, ob Berlin gesetzliche Regelungen zu Wohnungsmieten treffen könne, sei beantwortet. »Die entscheidende Frage wird sein: Wie weit gehen die Schrankenbestimmungen des Eigentums?«, glaubt er. Da macht ihn ein im Juli ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur bundesgesetzlichen Mietpreisbremse zuversichtlich: »Karlsruhe hat sehr eindrücklich gesagt, dass es kein Recht auf maximale Rendite mit Eigentum an Wohnungen gibt.«
»15 Euro kalt für ein Loch in Neukölln - das wird es nicht mehr geben«, prophezeit Katrin Lompscher. Der Mietendeckel werde auch wieder Bewegung auf dem Wohnungsmarkt ermöglichen, Umzüge sollen wieder leistbar werden. »Ich möchte dass auch künftig in Mitte ganz normale einfache Leute wohnen können«, sagt Lompscher.
Die Wohnungswirtschaft schürt auch Ängste, dass nach Auslaufen des zunächst auf fünf Jahre begrenzten Mietendeckels die Berliner ohne Mietspiegel dastehen werden. Die 15 Prozent Erhöhung, die das Mietrecht in angespannten Wohnungsmärkten zulässt, wären »natürlich ein heftiger Sprung«, antwortet sie auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum. Sie erinnert daran, dass nach der Wiedervereinigung auch ein gleitender Übergang des DDR-Mietensystems auf den Mietspiegel erreicht worden ist. »Was wäre denn, wenn man so wie in vielen anderen Ländern eine Mietpreissammlung und ein Wohnungskataster aufbaut?«, fragt sie. In den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2020/2021 wurden zumindest 100 000 Euro pro Jahr für den Aufbau eines Wohnungskatasters eingestellt.
»Der Mietendeckel ist ein deutlicher Sieg für Mieterinnen und Mieter in Berlin, obwohl man einige Dinge hätte besser machen können«, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«, zu »nd«. »Es ist aber nur der erste Schritt, weil der Mietendeckel die Symptome lindert, aber nicht die Ursachen angeht«, so Taheri weiter. Die Initiative will den Berliner Bestand gewinnorientierter Wohnungsunternehmen sozialisieren, der mehr als 3000 Wohnungen umfasst. Im Juni wurden 77 000 Unterschriften dafür übergeben, seitdem schmort das Verfahren beim zuständigen Innensenator Andreas Geisel (SPD). »Nicht nur unsere Initiative wartet auf ein Ergebnis und es gibt keinerlei Auskunft zum Stand des Verfahrens«, beklagt Taheri. Für ihn ist das »eine Missachtung der direkten Demokratie«.
»Es gibt intensive Gespräche, um die Prüfungszeit sinnvoll zu verkürzen. Ich warte da auch noch«, erklärt Katrin Lompscher. »Wir machen von Seiten der Fraktion Druck freundlicher Art. Wir wollen möglichst schnell das Ergebnis dieser Prüfung haben, damit die nächste Stufe gezündet werden kann«, sagt Sebastian Schlüsselburg. Die Landes-LINKE hatte bereits auf ihrem Parteitag im Dezember 2018 ihre Unterstützung für das Volksbegehren erklärt. Die Grünen folgten bei einem kleinen Parteitag im Mai 2019.
Es fehlt noch das Votum der SPD. Die Berliner Sozialdemokraten wollen bei ihrem an diesem Wochenende stattfindenden Parteitag darüber befinden, nachdem sie vor einem halben Jahr nach einer hitzigen Diskussion keine Haltung dazu gefunden und das Thema vertagt hatten.
»Es ist sehr positiv, dass die Partei im letzten halben Jahr über die Haltung zum Enteignungs-Volksbegehren diskutiert hat«, sagt Annika Klose, Landesvorsitzende der Berliner Jusos zu »nd«. Das Bild darüber, was die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« eigentlich will, sei den Mitgliedern dadurch klarer geworden. »Der Dissens bleibt bestehen, wobei eine ganz grundsätzliche Ablehnung des Sozialisierungsparagrafen in der Verfassung eine Mindermeinung ist«, konstatiert Klose. »Andere, wie auch ich, wollen das Instrument angesichts der teils katastrophalen Situation auf dem Wohnungsmarkt anwenden«, erklärt sie.
Die Antragskommission der SPD hat zwei Entwürfe zu der Haltung vorbereitet, ohne eine Empfehlung für einen davon abzugeben. »Es läuft auf eine eher enge Entscheidung hinaus. Vielleicht wird es eine Mehrheit, wenn auch eine dünne, für ein Landesgesetz zu Sozialisierungen geben«, prognostiziert Klose. Kein Antrag stelle sich zu 100 Prozent hinter die Initiative, sagt die Juso-Chefin. Das Kriterium, Enteignungen bei Unternehmen ab je 3000 Wohnungen zu vollziehen, halte man in der Partei für ungeeignet. »Wir wollen vor allem auf das konkrete Verhalten der Unternehmen abstellen, um auch gegen kleinere Wohnungseigentümer ein Schwert in der Hand zu haben«, so Klose.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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