Institut: Mietendeckel ist Horrorszenario

CDU-Fraktion ließ Wirtschaftsgutachten erstellen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Fokus des Gutachtens zum Mietendeckel ist nicht juristisch. Es gehe um eine »umfassende volkswirtschaftliche Folgenabschätzung als Grundlage für verantwortungsvolles Handeln« sagte Burkard Dregger, der CDU-Fraktionsvorsitzende, am Dienstag bei der Präsentation einer Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Das ändere allerdings nichts an seiner festen Überzeugung, dass der Mietendeckel vor den Gerichten keinen Bestand haben werde. Dregger warnte vor »großer Politikverdrossenheit«, wenn das Gesetz von den Gerichten aufgehoben wird. Der Senat habe »Hoffnungen und Erwartungen geweckt«, die dann bitter enttäuscht würden. Dies wäre »ein Konjunkturprogramm für Populisten«.

Die Studie enthält Berechnungen, die man durchaus als argumentative Stütze für einen Mietendeckel werten kann. Demnach müssten je nach Baualtersklasse zwischen 30 und 67 Prozent aller Mieten in Bestandsverträgen ab dem Ende des kommenden Jahres abgesenkt werden, da sie den Tabellenwert des Mietendeckels um mehr als 20 Prozent übersteigen. In Altbauten mit Sammelheizung und Bad betrüge die durchschnittliche Mietsenkung 2,66 Euro pro Quadratmeter. Bei zwischen 1950 und 1964 fertig gestellten Häusern sind es sogar 4,02 Euro. Noch deutlicher wäre der Mietsenkungseffekt bei Neuvermietungen, da dafür der Tabellenwert ohne Aufschlag maßgeblich sein soll. Absenkungen der Mieten würden zwischen 62 und 87 Prozent aller Wohnungen betreffen.

Studienautor Michael Voigtländer wertet diese Zahlen allerdings als Horrorszenario für den Wohnungsmarkt. Immobilienbesitzern drohten »Überschuldungen und Kreditausfälle bis hin zu Insolvenzen«. Dies würde in besonderem Maße »Kleinvermieter und Anleger treffen, die erst spät in den Markt eingestiegen sind«. Da viele attraktive Wohnungen dann auch für Normalverdiener erschwinglich wären, wäre die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt noch größer. Unweigerlich würde ein »grauer Markt der informellen Wohnungsvergabe« entstehen, warnte Voigtländer. Auf der Angebotsseite sei damit zu rechnen, dass verstärkt Umwandlungen in Wohneigentum stattfinden würden. Außerdem sei mit einem drastischen Rückgang bei Modernisierungen und Instandsetzungen zu rechnen, was das Erreichen der Klimaziele gefährde.

»Kaputt geht ihr nicht«
Experten von SPD und Grüne stritten mit Genossenschaftsvertretern über den Mietendeckel

Doch damit nicht genug. Die Handwerksbetriebe im Ausbaugewerbe müssten demnach mit Umsatzeinbußen von 25 Prozent rechnen, was zu »massiven Arbeitsplatzverlusten führen wird«. Und der ohnehin lahmende Neubau würde noch weiter einbrechen, denn »wer will denn in einem Klima der umfassenden Regulierungen hier noch investieren?« Und dies hätte zwangsläufig auch Ausstrahlungskraft auf andere Branchen und könnte die positive wirtschaftliche Entwicklung Berlins zum Erliegen bringen.

Für Voigtländer ist der Mietendeckel schlicht »systemwidrig«, da er die Marktentwicklung ignoriere und einen Einstieg in eine »sozialistische Wohnungswirtschaft« markiere. Die Lage auf dem Bestandswohnungsmarkt sei bei weitem nicht so dramatisch, wie sie oftmals dargestellt werde, denn die steigenden Einkommen hätten auch »zu einer höheren Zahlungsbereitschaft« vieler Wohnungssuchender geführt. Das Problem sei nicht in erster Linie die »Erschwinglichkeit von Wohnraum, sondern die Verfügbarkeit«. Und natürlich müsse die Marktentwicklung durch ein gefördertes Neubausegment für einkommensschwächere Teile der Bevölkerung ergänzt werden.

Die anwesenden Vertreter der CDU-Fraktionsspitze zeigten sich hocherfreut über diesen Vortrag aus der neoliberalen Mottenkiste und werteten ihn als Bestätigung für ihre strikte Ablehnung des Mietendeckels. Man sei sich bewusst, dass dies »keine bequeme Position ist«, so Dregger unter Verweis auf die große Zustimmung für die Senatspläne in der Bevölkerung. Sein Stellvertreter Stefan Evers räumte immerhin ein, dass es in einigen Segmenten bei Neuvermietungen »Übertreibungen« und »Alarmsignale« gebe. Doch dem müsse man vor allem mit mehr Neubau und mit der »Schärfung bestehender Instrumente« wie etwa dem Wucherparagrafen des Wirtschaftsgesetzbuchs begegnen.

Der rot-rot-grüne Senat und die vielen Mieterinitiativen der Stadt können diese Studie dagegen als Beleg dafür werten, dass sie mit dem eingeschlagenen Weg die Immobilienlobby und ihre politischen Vertreter ins Mark getroffen haben und auf dem richtigen Weg sind.

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