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Klimawandel verschärft Schuldenkrise im Globalen Süden

Extreme Wetterereignisse schlagen bei armen Ländern wegen zusätzlicher Aufnahme von Notkrediten ins Kontor

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nichtregierungsorganisation erlassjahr.de befindet sich in illustrer Gesellschaft: Auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank warnen vor einer neuen Schuldenkrise. Anfang 2020 legte die Weltbank mit ihrer Studie unter dem Titel »Global Waves of Debt« (Globale Schuldenwellen) ihre Zustandsanalyse vor und schrieb: »Die Welle der Verschuldung seit der Finanzkrise ist in ihrer Größe, Geschwindigkeit und Reichweite in den Schwellen- und Entwicklungsländern beispiellos.«

Der Schuldenreport 2020 macht eine ähnliche Tendenz wie der Weltbankreport aus und stellt ein Rekordhoch an kritisch verschuldeten Ländern fest: 124 von 154 untersuchten Ländern haben einen, mehrere oder alle fünf Schuldenindikatoren im kritischen Bereich. Das heißt, dass zumindest die Gefahr einer Überschuldungssituation besteht. Indikatoren sind unter anderem die Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen oder der Schuldendienst, also jährliche Zins- und Tilgungszahlungen, im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen. »In über 60 Prozent dieser Länder hat sich die Situation seit 2014 immer weiter verschlechtert«, sagt Jürgen Kaiser, Politischer Koordinator von erlassjahr.de. Absolut betrage die Auslandsverschuldung aller betrachteten Länder 7,81 Billionen US-Dollar (rund 7,08 Billionen Euro). Aktuell haben 19 Staaten die Zahlungen an ihre ausländischen Gläubiger ganz oder teilweise eingestellt, weil sie klamm sind.

»In den vergangenen Jahren waren kleine Staaten wie Somalia, Eritrea oder Sudan zahlungsunfähig. Es ist ein weiteres Warnzeichen, dass sich mit Argentinien nun auch das erste wirtschaftliche Schwergewicht im teilweisen Zahlungsausfall befindet«, erklärt Kaiser.

Der Bericht zur Verschuldungssituation von Entwicklungs- und Schwellenländern wird jährlich vom deutschen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de und dem katholischen Hilfswerk Misereor erstellt.

Wie der Klimawandel die Schuldenkrise anheizt, führte die die Klima-Expertin von Misereor, Anika Schroeder, aus. Durch den Klimawandel immer häufiger und heftiger auftretende Wetterextreme wie Wirbelstürme, Starkregen und Dürren stellten eine besondere Gefahr für Menschen in hoch verschuldeten Länder. »Durch den erdrückenden Schuldendienst fehlt Geld, um im Katastrophenfall schnelle und effektive Hilfe leisten zu können.« Wenn der Wiederaufbau auf Pump finanziert werden müsse, drohe überdies eine Schuldenfalle.

Als Beispiel nannte sie Mosambik, das im Frühjahr 2019 von den Zyklonen Idai und Kenneth stark getroffen wurde, über 1000 Menschen starben, Millionen Menschen leben in den betroffenen Gebieten. Mosambik musste einen Kredit aufnehmen, um auch nur Nothilfe leisten zu können. Den Fluten von 2019 folgte eine Dürre. 4,5 Millionen Menschen sind mangelernährt, eine Hungerkrise bahne sich an, so Schroeder.

Bei klimabedingten Naturkatastrophen müsse es einen automatischen Zahlungsstopp der laufenden Schuldenzahlungen gebe, sagte Kaiser. Danach müsse es mit allen Gläubigern Neuverhandlungen geben mit dem Ziel, die Verschuldung auf ein tragfähiges Maß zu senken. Die Bundesregierung sollte sich im Rahmen der Vereinten Nationen und im Internationalen Währungsfonds für eine Entschuldungsoption zugunsten von Ländern einsetzen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.

Für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betonte der Referatsleiter Klimapolitik, Martin Kipping, dass auch die langfristigen Folgen des Klimawandels wie der Anstieg des Meeresspiegels und die Versalzung des Grundwassers in den Blick genommen werden müssten. Er mahnte eine Debatte zur Klimagerechtigkeit an. So sei der globale Norden der Hauptverursacher des Klimawandels und habe somit »ökologische Schulden« beim globalen Süden. Das müsse finanziell ausgeglichen werden.

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