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»Es braucht harte Strafen«

Linkspartei-Politikerin Jutta Krellmann fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Union Busting

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Berliner SPD hat jüngst den Vorschlag gemacht, Start-ups nur noch Fördermittel zu geben, wenn diese einen Betriebsrat haben. Aus der Branche kamen sofort Aufschreie und der Hinweis, dass man keine Betriebsräte brauche, weil man andere Formen der Mitbestimmung habe. Was halten Sie von solchen Einlassungen?

Nichts. Was denn für andere Formen? Dahinter steht der Gedanke, dass man niemanden im Betrieb mitreden lassen will. Betriebsräte haben eine Rechtsgrundlage, auf der sie mitbestimmen dürfen. Das lehnt die Start-up-Branche oftmals ab. Diese Unternehmer wollen weder einen Betriebsrat noch Tarifverträge. Sie wollen nichts, außer möglichst ungestört Geld verdienen können.

Jutta Krellmann
Jutta Krellmann ist Sprecherin für Mitbestimmung der Linksfraktion im Bundestag. Sie und ihre Fraktion bringen diesen Donnerstag einen Antrag im Bundestag ein, in dem sie höhere Strafen für Verletzungen von Betriebsratsrechten sowie Schwerpunktstrafanwaltschaften für die Verfolgung von Union Busting fordern. Mit Krellmann sprach Simon Poelchau.
Foto: Linksfraktion

Bevor Sie in den Bundestag kamen, waren Sie Gewerkschaftssekretärin. Haben Sie da festgestellt, dass der Ton der Geschäftsführer gegenüber Betriebsräten rauer geworden ist oder Betriebsratsgründungen häufiger behindert werden.

Leider gibt es zum Thema Union Busting, also der Behinderung von Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit, keine Statistiken. Seit ich als Gewerkschaftssekretärin anfing, gab es so etwas schon immer. Aber die Aggressivität und Häufigkeit hat eindeutig zugenommen. Es gibt ganze Rechtsanwaltskanzleien, deren Geschäftsmodell die Verhinderung von Betriebsratsarbeit ist.

Ist dies der Grund, warum Sie und Ihre Fraktion diesen Donnerstag einen Antrag einbringen, in dem Sie härtere Strafen für die Verletzung der Rechte von Betriebsräten seitens Geschäftsführer fordern?

Ja. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Betriebsratswahlen zu erleichtern. Doch bisher hat das Bundesarbeitsministerium noch nichts vorgelegt. Mit unserem Antrag wollen wir Druck machen, damit Arbeitsminister Hubertus Heil endlich aktiv wird. Am Donnerstag wird über das Thema rund eine Stunde diskutiert, alle Parteien müssen sich damit beschäftigen.

Wenn Hubertus Heil die Betriebsratswahlen erleichtern will und Sie und Ihre Fraktion Verletzungen von Betriebsratsrechten stärker ahnden wollen ...

Wenn es in einem Unternehmen keinen Betriebsrat gibt, dann kann der Arbeitgeber nicht gegen diese Rechte verstoßen, wenn er die Belegschaft nicht richtig über seine Vorhaben informiert. Das ist dann seine unternehmerische Freiheit. Wenn es aber einen gibt, werden die Arbeitsbedingungen leider nicht automatisch besser. Dafür gibt es erstens zu wenige Betriebsräte, und zweitens sind die Strafen für Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte derzeit noch zu gering. Sie tun Unternehmen nicht weh und können quasi aus der Portokasse bezahlt werden.

Wie hoch sollten die Strafen Ihrer Meinung nach sein?

In unserem Antrag fordern wir, dass das Höchstmaß des Ordnungsgelds wegen grober Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz von derzeit 10 000 auf 25 000 Euro erhöht wird.

Solche Strafen können ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber etwa Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihrer Arbeit behindert oder Gewerkschaften den Zutritt zum Betrieb verwehrt. Sie wollen aber auch, dass Verstöße gegen die Informationsrechte von Betriebsräten bestraft werden, also wenn er nicht umfassend über Betriebsänderungen oder die Einführung einer neuen Software informiert.

In solchen Fällen sollten Geldbußen von bis zu 250 000 Euro möglich sein.

Aber kann so etwas nicht auch mal aus Versehen passieren?

Natürlich. Versehen sind zu korrigieren, nicht zu bestrafen. Wir reden von Informationen an Betriebsräte, die ganz bewusst zurückgehalten werden. Und das gegenüber gewählten Vertretern der Belegschaft, deren Aufgabe es ist, die Interessen der Belegschaft zu wahren. Und wenn sie dafür nicht die notwendigen Informationen bekommen, dann tappen sie im Dunkeln. Deswegen braucht es harte Strafen für die Verletzung der Informationsrechte von Betriebsräten.

Kirchliche Einrichtungen oder Zeitungen etwa sind Tendenzbetriebe, in denen der Betriebsrat eingeschränkte Rechte hat. Sollten die Verschärfungen auch in solchen Unternehmen gelten?

Kirchliche Krankenhäuser, Kindergärten oder eben auch Zeitungen sind wie andere Unternehmen auch Wirtschaftsunternehmen. Deswegen sollten für sie dieselben Regeln wie für andere Unternehmen auch gelten. Der Tendenzschutz sollte, bis auf wenige Ausnahmen, abgeschafft werden.

Zwischen 2008 und 2017 gab es elf Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Bringen härtere Strafen überhaupt etwas, wenn die Vergehen so gut wie nie geahndet werden?

Deswegen fordern wir auch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Vergehen gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sowie diese mit ausreichend qualifiziertem Personal auszustatten. Da dies Ländersache ist, ist es aber etwas komplizierter. Insofern steht in unserem Antrag, der Bundestag habe »auf die Bundesländer hinzuwirken«, solche Staatsanwaltschaften einzurichten.

Die Beschäftigten stehen aufgrund der Digitalisierung und der notwendigen Klimawende vor riesigen Herausforderungen. Reichen höhere Strafen aus, um die Interessen der Belegschaft angesichts dieser Umbrüche wahren zu können?

Es wäre zumindest ein erster Schritt, wenn die Strafen wegen Verletzungen gegen die Rechte der Betriebsräte so hoch wären, dass die Unternehmen sie nicht mehr aus der Portokasse zahlen können. Was es aber braucht, ist eine Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen, damit die Interessen der Belegschaft bei Umbrüchen gewahrt werden können. Oft kennen Betriebsräte den Betrieb besser als der Geschäftsführer. Während der Krise 2009 waren es zum Beispiel viele Betriebsräte, die Kurzarbeitergeld beantragt haben, während die Chefs zuerst nicht daran gedacht haben. Das hat vielen Unternehmen das Leben und die Fachkräfte gerettet.

Wenn es Mitsprache auch in wirtschaftlichen Fragen gäbe, dann wären Betriebsräte doch ein Stück weit auch Räte.

Das ginge in der Tat auch in die Richtung, was die Beschäftigten wollten, als vor 100 Jahren das Betriebsrätegesetz auf den Weg gebracht wurde. Da ging es nicht nur um die Beteiligung bei sozialen Angelegenheiten, sondern auch um Entscheidungsmacht der Belegschaft und ihrer gewählten Vertreter bei wirtschaftlichen Angelegenheiten.

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