Lassen sich Heuschrecken beruhigen?

Sie sind Fressmaschinen, die alles Grüne vertilgen: Heuschrecken. Steffen Schmidt klärt über die Insekten auf.

Lassen sich Heuschrecken beruhigen?

Seit letztem Sommer gibt es eine Heuschreckenplage, aktuell leiden darunter Teile Indiens und Russlands. Wie muss man sich das vorstellen?

Steffen Schmidt
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Millionen von Fressmaschinen fallen über alles her, was grün ist.

Millionen?

Die Schwärme sind riesig. Und deswegen ist da auch im Prinzip kein harmloses Mittel dagegen gewachsen. Da hilft dann wirklich nur noch drüberfliegen und Gift versprühen. In dicht besiedelten Gegenden ist das problematisch.

Wie wird aus einer einzelnen Heuschrecke ein Heuschreckenschwarm?

In der Regel sind es die Wüstenheuschrecken, die da zuschlagen, nicht die kleinen Grashüpfer, die es bei uns gibt. Die legen ihre Eier in den Boden, und wenn es regnet, dann schlüpfen sie. In Wüstengegenden passiert das eigentlich selten, aber durch den Klimawandel jetzt häufiger. Und dann hast du auf einmal ganz viele von den Viechern, die erst die Umgebung leerfressen und sich dann so bedrängen, dass sie einen Signalstoff absondern, der die anderen auf Distanz halten soll. Letztlich fliehen die Heuschrecken voreinander und fallen bei dieser Gelegenheit über benachbarte, noch abfressbare Gegenden her.

Alleine gibt es die nicht?

Doch, aber so sind sie harmlos. In dem Zustand sind sie grün und noch nicht schwarmbereit, also noch nicht zur Invasionsarmee geworden. Dann werden sie nämlich gelb bis braun.

Auch in der Einzahl sollen sie gefährlich sein. Der SPD-Politiker Franz Müntefering bezeichnete eine Firma, die andere Firmen schluckt, um sie auszuplündern, etwas dämonisch als »Heuschrecke«.

Politiker sind nicht zwangsläufig biologisch vorgebildet. Aber das ändert ja nichts an der Idee, dass die Viecher alles fressen, bis nichts mehr da ist. Das passt durchaus zu dieser Art von Investoren, die die Kosten der Übernahme dem Unternehmen, das sie gekauft haben, aufbürden und es damit meist zerstören.

Die echten Heuschrecken lassen sich tierpsychologisch nicht beruhigen?

»Tierpsychologisch« ist etwas hoch gegriffen, zur Psyche wird es bei diesen Insekten nicht ganz reichen, fürchte ich. Das Wort Panik ist ja auch eher ein anthropomorpher Begriff, der auf die Tierwelt projiziert wird. Es gibt dort andere Steuermechanismen. Auch bin ich mir ziemlich sicher, dass größere Menschenmengen nicht über Pheromone gesteuert werden.

Das Udo-Lindenberg-Paradoxum »Keine Panik auf der Titanic« greift bei den Heuschrecken nicht?

Nicht so richtig. Weder bei den Viechern selber noch bei denen, über die sie herfallen. Ist ja auch keine »Titanic«, ist ja alles an Land. Obwohl die auch übers Meer fliegen können.

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