»Blutigste Woche seit 19 Jahren«

Fast 300 afghanische Sicherheitskräfte in einer Woche getötet

  • Lesedauer: 3 Min.

Kabul. Die UNO hat gezielte Angriffe auf medizinische Einrichtungen und deren Mitarbeiter in Afghanistan mitten in der Corona-Pandemie kritisiert. Die UN-Mission für Afghanistan (Unama) erklärte am Sonntag, vom 11. März bis zum 23. Mai seien zwölf solcher Angriffe registriert worden. Für acht Angriffe waren demnach die radikalislamischen Taliban verantwortlich, für drei afghanische Sicherheitskräfte. Zu einem Angriff auf eine Kabuler Geburtsstation, der Ende Mai weltweit für Entsetzen gesorgt hatte, hat sich bislang noch niemand bekannt.

Bei dem Angriff auf die Geburtsstation des Dascht-e-Bartschi-Krankenhauses waren am 23. Mai 25 Menschen getötet worden, darunter 16 junge Mütter. Am vergangenen Montag hatte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen angekündigt, die Arbeit in der Klinik einzustellen, weil weitere Angriffe nicht ausgeschlossen werden könnten.

Unama-Chefin Deborah Lyons erklärte, in einer Zeit, in der humanitäre Maßnahmen dringend nötig seien, um in Afghanistan Menschenleben zu retten, hätten sowohl die Taliban als auch die afghanischen Sicherheitskräfte »gezielte Gewalttaten« verübt und damit die Gesundheitsversorgung des Landes beeinträchtigt.

Afghanische Sicherheitskräfte flogen den UN-Angaben zufolge im Mai einen Luftangriff nahe einer Klinik in der nordafghanischen Provinz Kundus. Das Ziel war demnach ein Fahrzeug mit verletzten Taliban-Kämpfern. Getötet wurden sieben Taliban-Kämpfer, aber auch zwei Zivilisten.

Bei einem weiteren Vorfall in einem Krankenhaus in der östlichen Provinz Nangarhar drohten afghanische Soldaten den Angaben zufolge damit, Ärzte zu erschießen, die sich weigerten den Leichnam eines toten Soldaten zu waschen. Der dritte Vorfall ereignete sich demnach in der Provinz Balkh, wo Soldaten mehrere Lastwagen anhielten und die für eine Klinik bestimmte Ladung mitnahmen.

Gleichzeitig sind innerhalb einer Woche 841 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet oder verwundet worden. Wie der nationale Sicherheitsrat am Montag mitteilte, gab es in 32 der 34 Provinzen insgesamt 422 Angriffe der militant-islamistischen Taliban. Dabei seien 291 Soldaten und andere Sicherheitskräfte getötet und 550 verletzt worden. Der Sicherheitsrat sagte, es sei die »blutigste Woche seit 19 Jahren«. Gewöhnlich veröffentlicht die Regierung keine Daten zu den Verlusten eigener Kräfte, der Sicherheitsrat hatte jedoch vor einer Woche bereits eine ähnliche Statistik herausgegeben.

Die afghanische Regierung und die Taliban planen Friedensgespräche, um den Konflikt im Land zu beenden. Trotz einer kurzen Waffenruhe am Ende des Ramadans flammte die Gewalt jüngst wieder auf. Auch ein Gefangenentausch - der Vertrauen bilden soll - kommt immer wieder ins Stocken. »Ohne Gewaltreduzierung wird ein Friedensschluss mit Problemen und Verzögerungen konfrontiert«, hieß es in der Mitteilung.

In Afghanistan wurden bislang mehr als 28.000 Coronavirus-Infektionen und über 580 Todesfälle bestätigt. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Gewalt in Afghanistan hatte nach einer kurzzeitigen Waffenruhe im Mai nachgelassen, inzwischen nimmt sie aber wieder zu. Nach Behördenangaben vom Sonntag wurden binnen einer Woche bei Angriffen der Taliban 42 Zivilisten getötet und mehr als hundert weitere verletzt.

Die USA hatten mit den Taliban am 29. Februar in Doha (Katar) ein Abkommen unterzeichnet. Dieses sieht einen Abzug der internationalen Truppen vor und soll den Weg für innerafghanische Friedensgespräche bereiten. Bis zu 5000 Taliban sollten im Tausch gegen 1000 Gefangene der Rebellen freikommen. Die afghanische Regierung war nicht an dem Deal beteiligt worden, was zu Spannungen führte. Agenturen/nd

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