Zug um Zug zum Tabakwerbeverbot

Die Industrielobby wehrte sich ausdauernd, jetzt aber könnte der Bundestag endlich strengere Regeln beschließen

  • Eckart Roloff
  • Lesedauer: 4 Min.

Was war das für ein Kampf, welch ein Gezerre über Jahre hinweg. Die Lobby der Tabakindustrie war höchst aktiv. Nun aber ist die Schlacht zu Ende: Die Werbung für das Rauchen wird weiter deutlich beschränkt. Doch das geschieht nur Zug um Zug, und ein paar Schlupflöcher gibt es noch.

Ab dem 1. Januar 2022 ist es untersagt, für herkömmliche Tabakwaren auf Plakaten zu werben. Für Tabakerhitzer gilt ein Verbot ein Jahr später, für E-Zigaretten sogar erst zwei Jahre danach. Bereits vom Januar 2021 an aber darf in Kinos vor den zahlreichen Filmen nicht mehr für Tabakprodukte geworben werden, die für unter 18-Jährige freigegeben sind.

Über all das hat der Deutsche Bundestag an diesem Donnerstagnachmittag zu beschließen. Da es um einen Gesetzentwurf der Großen Koalition geht, dürfte die Mehrheit sicher sein, zumal ihm Abgeordnete anderer Fraktionen, besonders der Grünen und der Linken, zustimmen wollen. Bis zu dieser Gemeinsamkeit hat es lange gedauert.

In der CDU war es vor allem deren langjähriger Spitzenmann Volker Kauder, der unablässig gegen das Werbeverbot antrat. Vor allem er verhinderte strengere Regeln. Das wirkte schon so, als sei dies Kauders größtes politisches Ziel. Nun, da er nicht mehr Fraktionschef ist, wagte die CDU samt der CSU die Volte.

Als Drucksache 19/19495 brachte sie im Mai 2020 mit der SPD den Entwurf eines »Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes« ein. Stark beteiligt daran war nicht, wie sich vermuten ließe, der Bundestagsausschuss für Gesundheit, sondern der für Ernährung und Landwirtschaft.

In Zeitungen, Radio und Fernsehen war diese Werbung längst untersagt. Das westdeutsche HB-Männchen sprang schon seit Jahrzehnten nicht mehr in die Luft - einem Millionenpublikum Entspannung durch Qualmerei zu verheißen, das ging gar nicht. Vielmehr kam dies: Seit vielen Jahren müssen auf Zigarettenschachteln und ebenso auf Plakaten klare Hinweise stehen (darunter »Raucher sterben früher«, »Rauchen verursacht 9 von 10 Lungenkarzinomen«, »Rauchen verstopft Ihre Arterien«), die vor den schweren Folgen des Inhalierens warnen.

Vehement haben die Lungenärzte, das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Weltgesundheitsorganisation, das Aktionsbündnis Nichtrauchen, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Aktion rauchfrei die Öffentlichkeit wachgerüttelt, damit man das Rauchen stoppt oder damit gar nicht erst anfängt. Doch niemand weiß, wie viele Menschen der Werbestopp beeindruckt. Belegt ist aber, wie sehr der Konsum bei Jugendlichen zurückging: um drei Viertel zwischen 2001 und 2019 - zu einem Teil wohl auch, weil das verführerische Werben nicht mehr zieht und die Warnungen wirken.

Was folgt finanziell aus dem Aus beim Plakatieren? Die Kosten für diese Werbung beziffert die Tabakbranche auf knapp 96 Millionen Euro jährlich. Die entfallen bald, so gern sie die Summe weiter ausgegeben hätte. Der Werbewirtschaft jedoch geht das Geld verloren. Zu welchem Minus es beim Tabakabsatz kommt, ist unklar. Der Verband der Rauchtabakindustrie erwartet eher vage einen mehrstelligen Millionenbetrag. Ihr Jahresumsatz freilich beträgt ein Vielfaches: gut 22 Milliarden Euro allein bei Zigaretten. Andererseits belaufen sich die Behandlungskosten für die Folgeschäden auf 97 Milliarden Euro pro Jahr; rund 120 000 Menschen sterben in Deutschland als Konsequenz des Rauchens.

Im Bundestag war Gero Hocker für die FDP unter denen, die ein Werbeverbot ablehnen. Das passe nicht zu einer freiheitlichen Gesellschaft und zum Wesen der Toleranz, sagte er. Hocker sah voraus, dass das neue Gesetz »vor keinem Gericht in Deutschland Bestand haben wird«. Auch der Thüringer CDU-Mann Albert Weiler will kein Verbot. Niema Movassat von der Linksfraktion dagegen prangert an, dass die Tabaklobby auf Parteitagen unverändert Sponsoring treiben dürfe und Werbung in Fachgeschäften und an Tankstellen nicht beschränkt werde.

Nichts ändert sich auch an dem, was in Kinos und im Fernsehen ständig zu sehen ist: das Paffen in Spielfilmen. Der Soziologe Rainer Hanewinkel erfasst das engagiert. Er fand heraus, dass 87 Prozent jener 61 Filme Rauchszenen enthalten, die von 2016 bis 2018 für den Deutschen Filmpreis, die Lola, nominiert waren. Darunter sind viele, die auch kleine Kinder ansehen dürfen. Das zu ändern ist im Gesetz nicht vorgesehen. Immerhin will der Bundestag in fünf Jahren einen Bericht über die Wirkung der neuen Regeln bekommen.

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