SPD verliert massiv, Linke kann nicht profitieren

Gerade in Arbeiterbezirken in NRW konnten fortschrittliche Kräfte nicht punkten - im Gegensatz zur AfD

  • Jana Frielinghaus, Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Sowohl in der Linken als auch in der SPD spricht man sich nach dem insgesamt bescheidenen Abschneiden bei den Gemeinde-, Stadtparlaments- und Oberbürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen Mut zu. Der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter- Borjans wertete das Ergebnis seiner Partei trotz starker Verluste als Beleg für eine »Trendwende«. Die SPD habe die »Talsohle durchschritten«, sagte er am Montag in Berlin mit Blick auf das Resultat der Europawahl 2019. Damals hatten die Sozialdemokraten in NRW nur 19,2 Prozent der Stimmen erhalten, am Sonntag waren es 24,3 Prozent. Doch dies ist ein Minus von 7,1 Prozent gegenüber den letzten Kommunalwahlen.

Der Linke-Landessprecher Christian Leye führt das magere Abschneiden seiner Partei mit durchschnittlich 3,8 Prozent wiederum darauf zurück, dass während der Corona-Krise die Regierenden profitieren. Aber »die soziale Krise« werde kommen, prognostizierte er im Gespräch mit »nd«. Dann brauche es »eine Partei, die klar auf soziale Gerechtigkeit« setze. Dafür sei man bereit.

Linke-Landesgeschäftsführer Sascha H. Wagner sieht hingegen durchaus auch hausgemachte Ursachen für das bescheidene Ergebnis. Insbesondere sei die Partei nach wie vor »zu wenig verankert« in den Kommunen, vor allem, weil sie weiter zu wenige aktive Mitglieder habe, sagte Wagner dem »nd«. Derzeit seien es 8500 Linke-Genossen in NRW, immerhin rund 20 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren - in einem Bundesland mit 14 Millionen Wahlberechtigten dennoch wenig. Zudem, so Wagner, gebe es viele Mitglieder, die sich nicht aktiv einbringen, darüber hinaus viele säumige Beitragszahler.

Zudem verliere die Linke nach wie vor Stimmen an relativ kleine Konkurrenten wie Die Partei und Volt, sagt Wagner. Und bei wahlentscheidenden Themen wie Klima und Umwelt sowie Digitalisierung und Bildung habe man nicht zum Wähler durchdringen können. Die Kompetenz bei Umwelt- und Klimapolitik werde nach wie vor den Grünen zugeschrieben. Doch sobald die Ökopartei in der Bundesregierung sei, werde eine »Entzauberung stattfinden«, ist Wagner überzeugt. Das sieht auch Landessprecher Leye so. Derzeit profitierten die Grünen noch von einer »Mischrolle aus bürgerlicher Partei mit einem ökologischem Image«. Doch Leye ist sich sicher: »Mit einer Wohlfühlpartei, die den Konzernen nicht wehtun will, lässt sich der Klimawandel nicht stoppen.«

Unterdessen machte die Linke-Bundesvorsitzende Katja Kipping Äußerungen von Genossen im Bundestag für das schlechte Abschneiden der Partei in NRW mitverantwortlich. Das »Spekulieren« über die Verantwortlichen für die Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny habe den Linken bei der Wahl nicht genutzt, sagte Kipping am Montag in Berlin. Zuvor hatte neue außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, gesagt, es könne sein, dass ein einzelner Geheimdienstler oder ein Gegner des Gaspipelineprojekts Nord Stream 2 den Anschlag auf Nawalny verübt haben könnte. Auch die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen hatte westliche Geheimdienste als Urheber ins Gespräch gebracht, darunter den BND. Kipping betonte mit Blick auf die Kommunalwahlen in NRW aber auch, die Partei müsse in der Fläche stärker werden. Das magere Ergebnis sei ein »Warnsignal«.

Die Linke muss sich allerdings auch fragen, warum die AfD ausgerechnet in einigen Städten im Ruhrgebiet zweistellige Ergebnisse erzielen konnte. Besonders gut schnitten die Rechten Stadtteilen ab, die stark von Armut betroffen sind und in denen viele Migranten leben.

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