»Und ich renne rum wie eine zwölfjährige Sausebiene«

Gewinnt die Berliner Schauspielerin Helena Zengel an diesem Sonntag einen Golden Globe? Ein Gespräch

Die Golden-Globe-Awards-Zeremonie ist ganz bald, und du bist da auch nominiert. Bist du aufgeregt?

Ja, langsam, ein bisschen schon.

Im Interview

Helena Zengel ist zwölf Jahre alt und lebt in Berlin. Mit fünf Jahren hat sie mit der Schauspielerei begonnen - im Fernsehfilm »Spreewaldkrimi: Mörderische Hitze«. In dem Spielfilm »Systemsprenger« von Nora Fingscheidt, der 2019 auf der Berlinale Premiere feierte, verkörperte Zengel die neunjährige Benni, die wegen Aggressivität von der Förderschule dauerhaft suspendiert wird. Dafür gewann sie 2020 den Deutschen Filmpreis.

Daraufhin spielte Zengel im US-amerikanischen Western »Neues aus der Welt« (2020) von Paul Greengrass an der Seite von Tom Hanks die zehnjährige Johanna, deren Eltern ermordet wurden und die beim indigenen Volk der Kiowa aufwuchs. Diese Rolle brachte ihr eine Nominierung als beste Nebendarstellerin bei den Golden Globes 2021 ein. Mit ihr sprach Bahareh Ebrahimi.

Letztes Jahr wurdest du auch für den Film »Systemsprenger« als Beste Hauptdarstellerin mit dem Deutschen Filmpreis (Lola) ausgezeichnet. Wie ist es, mit so einem Hochgefühl dann am Tag darauf etwa zur Schule zu gehen?

Ganz normal. Ich meine, ja, klar, das war natürlich total krass. Aber immer noch bin ich erst 12 Jahre alt, ein deutsches Kind, und ich habe ein ganz normales Leben. Von daher finde ich es lustig, wenn man nach einem Lola-Gewinn wieder zur Schule gehen muss. Das macht Spaß, das ist recht cool.

Du hast schon in einigen Filmen gespielt, bist dann mit »Systemsprenger« bekannt geworden. Und jetzt mit »Neues aus der Welt« international noch bekannter. Welchen Film von diesen beiden magst du selber mehr?

Na ja, »mehr« ist ein schwieriges Wort, denn es sind zwei tolle Filme, finde ich. Und sie sind einfach total unterschiedlich. »Systemsprenger« ist eher der laute Megafilm und »Neues aus der Welt« ist ein Western. Ich bin sehr glücklich mit beiden Performances.

Wie ist für dich der Unterschied zwischen einer deutschen Produktion und einer US-amerikanischen?

In den USA ist es schon ein bisschen anders, also es gibt viel, viel mehr Menschen, es ist alles größer, lauter. Es ist nicht in meiner Muttersprache, es ist in einem anderen Land, in der Wüste, wo ich im Grunde genommen noch nie war, dann auch mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Alles ist natürlich wirklich sehr lustig und noch mal ganz anders als sonst beim deutschen Dreh. Also klar, es macht schon einen Unterschied. Aber cool. Ich finde die Abwechslung schon lustig.

Was war die schwierigste Szene, die du spielen musstest?

Schwer finde ich die Szenen eigentlich nicht. Ich mache gerne Filme und ich sehe das nie als schwer. Es macht einfach Spaß. Aber es gibt Szenen, die ein bisschen, ich sage mal anspruchsvoller sind, wo man vielleicht ganz viel weinen muss. Oder wenn man eine körperlich ganz anstrengende Szene machen muss.

Was macht dir am meisten Spaß beim Schauspielern?

Ich glaube, das Geilste am Schauspielern ist wirklich dieser Kick: Es gibt »und jetzt bitte« und dann habe ich diesen Kick und es geht einfach los und bei »und danke« ist Schluss und ich renne rum wie eine zwölfjährige Sausebiene. Also ja, dieses Adrenalingefühl, diese Schmetterlinge im Bauch, die man hat vor einer Szene, ist jedes Mal aufs Neue wieder schön.

Interessierst du dich auch für andere Berufe? Denkst du manchmal, dass du vielleicht etwas anderes werden möchtest? Oder kommt nur Schauspielerin in Frage?

Ja, man denkt ja auch daran, vielleicht, wenn es irgendwann doch nicht mehr so toll ist, dann einen anderen Beruf zu machen. Aber generell ist Schauspiel mein Ding, ich will das machen, das ist mein Weg. Vielleicht kann man irgendwann nebenbei noch Regisseurin oder Drehbuchautorin sein. Ich habe jetzt auch angefangen, ein Buch zu schreiben. Also von daher, ja, vielleicht irgendwann mal.

Erzählst du ein bisschen über dieses Buch?

Ja! Erwarten kann man ein Mädchen, das seine Familie verloren hat, leider, und eine Waise ist. Aber sie kann durch eine bestimmte Gabe mit ihrer toten Familie Kontakt aufnehmen, sie taucht immer in der Welt der Toten und des Nachtlebens und ihrer realen Welt auf und ab. Und wir haben sogar auch schon einen Schriftsteller gefunden, mit dem ich zusammen schreiben kann. Also bestimmt richtig cool und lustig. Angefangen habe ich auf jeden Fall schon vor einem Monat ungefähr, und da bin ich sehr gespannt, wie das wird.

Du bist eigentlich seit 2019, seit »Systemsprenger«, schon berühmt. Ist dieses Berühmtsein immer etwas Schönes für dich oder gibt es etwas, was du am Bekanntsein vielleicht nicht so angenehm findest?

Nein, ich liebe das Bekanntsein. Also ich war schon immer gern im Mittelpunkt. Und jetzt werde ich auf der Straße angesprochen: »Hey da, bist du nicht die kleine Zengelsche?« Oder Leute sind am Telefon und sagen: »Hier ist die Kleine von ›Systemsprenger‹, die Zengel.« Das ist total lustig meistens. Und das ist doch cool, wenn jemand auf mich zukommt und sagt: »Hey, ich mochte deine Performance, machen wir ein Bild zusammen?«. Aber ich kann mir vorstellen, wenn man in Tom Hanks’ Größe ist - weil ich ja auch viel Zeit mit ihm verbracht habe -, ist es durchaus schon anstrengend, wenn du die ganze Zeit angesprochen wirst, dir die ganze Zeit hinterhergerannt wird, du die ganze Zeit fotografiert oder gefilmt wirst, und du gar nichts mehr machen kannst, ohne dass direkt hundert Leute auf dich zukommen. Aber für mich ist es noch cool. Bis jetzt ist keiner übergriffig oder unfreundlich gewesen. Von daher bin ich auch immer froh, wenn mich Leute ansprechen, denn ich finde es ja toll, dass sie meine Performance mögen.

In was für Geschichten würdest du lieber spielen? Oder anders gefragt: Was für Rollen bevorzugst du zu spielen?

Also bevorzugen tue ich ja eigentlich nichts. Ich suche mir eine Rolle aus, schaue mir ein Drehbuch an und sage, ich will das oder ich will das nicht. Ich mag gerne Dramen, ich mag starke Filme mit Feministinnen, mit krassen Themen. Aber auch mal eine Komödie wäre natürlich lustig. Also dieses ernste Fach liegt mir schon, aber ich glaube, eine Komödie oder einen lustigen Kinderfilm könnte ich auch locker rüberbringen. Da ist meine Reichweite, im Sinne von was ich mag, eigentlich relativ ausgeprägt.

Und mit wem redest du als allererstes über solche Rollenangebote?

Natürlich als allererstes mit meiner Agentur, meiner Mama, manchmal mit mehreren Agenturen. Ich habe eine Presseagentur und noch drei andere Agenturen für Schauspiel (in Deutschland, UK und USA). Ab und zu rede ich auch mit Freunden darüber, was sie davon halten. Mit meiner Oma telefonieren wir auch darüber, ich erzähle ihr etwa: »Da ist ein Mädchen, das macht dies und das. Wie fändest du das denn, wenn ich das machen würde?« Ja, einfach mit den Leuten, die ich gern habe, spreche ich. Mittlerweile auch mit Tom Hanks oder Paul Greengrass (Regisseur von »Neues aus der Welt«).

Hast du einen Lieblingsfilm eigentlich?

Ist schwer zu sagen, aber ich mag sehr gerne »A Star Is Born«, »In Her Shoes« und ich liebe »Hinter dem Horizont« - total toller Film, sehr, sehr emotional mit Robin Williams.

Und was vermisst du denn in diesen Corona-Zeiten am meisten?

Schule! Schule und Filmdreh. Und dazu fand ich sehr schade, dass wir nicht nach Amerika durften, nicht zur Promotion-Tour. Sonst wären wir in Asien, Amerika und Europa rumgeflogen, hätten da Interviews gegeben. Und dass »Neues aus der Welt« nicht ins Kino kam, war schade - also natürlich ist es auch schön, dass es auf Netflix läuft, aber ich finde, das ist wirklich ein Film für die große Leinwand.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal