Keine Lust zu scheitern

Die deutschen Handballer lösen in Berlin ihr Olympiaticket

Erst kam der Kampf, es folgte die Perfektion und schließlich der Jubel. Die deutschen Handballer haben beim Qualifikationsturnier in Berlin das Ticket zu den Olympischen Spielen von Tokio gelöst. Doch wie immer bei der deutschen Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren wurden die drei Tage in der Max-Schmeling-Halle zu einem dramatischen Auf und Ab. Zur Abwechslung hatte es aber mal ein glückliches Ende.

Seit dem EM-Titel und Olympiabronze 2016 laufen die deutschen Handballer ihren immer wieder erneuerten Medaillenträumen hinterher. Da war zunächst der unglückliche vierte Rang bei der Heimweltmeisterschaft 2019. Ein Jahr später folgte EM-Platz fünf, und bei der WM in diesem Januar in Ägypten wurde das deutsche Team sogar nur Zwölfter. Eine vielversprechende Generation, der Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), vor sieben Jahren das Ziel Olympiagold vorgegeben hatte, konnte die Erwartungen an sie ein ums andere Mal nicht erfüllen.

Doch solche Erfahrungen haben oft auch etwas Gutes, etwas Lehrreiches: »In den letzten zwei Jahren haben wir immer wieder erfahren, wie es sich anfühlt zu scheitern«, erinnerte sich Rechtsaußen Timo Kastening vor der abschließenden Qualifikationspartie gegen Algerien. »Und ich habe keine Lust darauf, wieder zu scheitern. Ich will nach Tokio.« Tatsächlich hat die Mannschaft gelernt, wie sie in wichtigen Momenten die Nerven behält und nicht enge Spiele aus der Hand gibt, wie es ihr bei der WM in Ägypten immer wieder passiert war.

Beim Qualifikationsauftakt am Freitag lag das deutsche Team gegen Vizeweltmeister Schweden Mitte der zweiten Hälfte schon mit drei Toren zurück, doch zwei glänzende Paraden von Altmeister Johannes Bitter hielten die Chance auf ein Comeback am Leben. Dazu ersetzte Marcel Schiller auf Linksaußen den glücklosen Kapitän Uwe Gensheimer, kam prompt zu zwei Ballgewinnen in der Defensive und erzielte dann auch noch fünf Sekunden vor Schluss aus spitzem Winkel den Ausgleich zum 25:25.

»Klar muss ich das Tor werfen. Aber das gilt im ersten Angriff wie auch im letzten«, sagte Schiller danach ganz ruhig, während ihn die Kollegen für seine Kaltschnäuzigkeit im Abschluss unter Druck feierten. »Meine Abwehraktionen waren aber viel wichtiger. Es ist nicht immer entscheidend, die Tore zu machen«, so Schiller. »Wir haben so gut gekämpft und alles reingehauen. Da hatten wir uns den Punkt wirklich verdient.«

Mit dem Glücksgefühl im Rücken stand schon 24 Stunden später die vorentscheidende Partie gegen den WM-Neunten Slowenien an, und endlich zeigte die DHB-Auswahl, was in ihr steckt. Schon zur Halbzeit führte sie mit 22:12, am Ende stand ein überzeugendes 36:27. »Heute kam mal alles zusammen, um ein perfektes Spiel abzuliefern«, analysierte Timo Kastening. »Das war eine richtig gute Abwehrarbeit mit starken Torhütern. Die haben uns ermöglicht, viele leichte Tore zu erzielen«, ergänzte Rückraumspieler Julius Kühn, der im Gegensatz zur WM im Januar diesmal in der Offensive mit vielen Toren glänzen konnte.

Die deutschen Handballer schafften endlich den Zusammenschluss der neuen Kräfte um Schiller, Kastening sowie Johannes Golla und der alten Garde um den wiedererstarkten Torwart Andreas Wolff oder Rollenspieler wie Steffen Weinhold, der sich gegen die Slowenen immer wieder durch die gegnerische Abwehr getankt hatte. »Wir mussten in den Flow reinkommen. Das war lange normal, aber in den letzten Monaten eben nicht mehr. Jetzt haben wir es endlich mal wieder gut gemeistert«, freute sich Julius Kühn.

Am Sonntag folgte das Schaulaufen gegen besonders im Angriff einfallslose Algerier. Wieder konnte sich Bundestrainer Alfred Gislason über eine funktionierende Abwehr und daraus resultierende schnelle Tore im Angriff freuen. Und so jubelte der Isländer nach 60 Minuten mit seinen Spielern über den 34:26-Sieg und das damit verbundene Olympiaticket nach Tokio.

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