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Zwei Parteien in einer

Seit der Wahl Sahra Wagenknechts zur NRW-Spitzenfrau gärt es im Linke-Landesverband. Ein Kleiner Parteitag brachte keine Befriedung

Endlich mit Rückenwind in den Bundestagswahlkampf gehen - das war das Ziel des Landesrats, des Kleinen Parteitags der nordrhein-westfälischen Linken. Doch es herrscht offener Streit bei der Linken an Rhein und Ruhr, seit vor knapp drei Monaten Sahra Wagenknecht an die Spitze der Landesliste für die Bundestagswahl gewählt wurde. Auch auf den meisten anderen Listenplätzen setzten sich Unterstützer*innen Wagenknechts mit knappen Mehrheiten durch.

Ein Zeichen für die neue Einigkeit sollten am Samstag die Reden von Wagenknecht und der Parteichefin Janine Wissler sein. Beide hielten erstaunlich ähnliche Reden. Nach der Bundestagswahl werde im Bund darüber gesprochen, wer für die Coronakrise zahlen müsse. Die Linke müsse stark abschneiden, damit die Krise nicht von den Armen gezahlt werde und die Reichen noch reicher werden. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssten endlich der Profitlogik entzogen werden. Wagenknecht und Wissler betonten zudem, dass die Linke die einzige Friedenspartei sei. Für Wissler ist es »absurd«, dass nach dem Afghanistan-Desaster ausgerechnet die Linke ständig dazu aufgefordert werde, ihre Außenpolitik zu verändern. Wagenknecht kritisierte die Grünen. Die Erhöhung von Verbraucherpreisen sei »keine echte Klimapolitik«, sagte sie.

Mit der Einigkeit funktionierte es dann aber doch nicht so gut. Einige Delegierte bemängelten einen Initiativantrag der Bundestagskandidat*innen aus NRW, der acht zentrale Punkte für den Bundestagswahlkampf aufzählte. Die ehemalige Landessprecherin Gunhild Böth konnte nicht nachvollziehen, warum dieser Antrag kurzfristig als Initiativantrag eingebracht wurde. Andere Delegierte kritisierten, dass der Klimaschutz nur bei der Verkehrspolitik angerissen wurde, obwohl er ein zentrales Wahlkampfthema werden soll. Ein Punkt, der die antirassistische Haltung der Linken darstellt, musste durch einen Ergänzungsantrag eingefügt werden.

Bei dieser Debatte war schon zu spüren, dass die Stimmung in der Partei schlecht ist. Da half auch die Aufforderung von Landessprecher Christian Leye nicht, dass man jetzt »die Reihen schließen« müsse. Leye musste sich nach dem Bericht des Vorstands vielmehr einigen kritischen Fragen stellen. Dabei ging es vor allem um die Austritte von Dana Morisse und Manuel Huff aus dem Landesvorstand. Beide waren Mitte Juni gegangen. In einem Austrittsschreiben werfen sie dem Landesvorstand mangelnde Professionalität und Vertrauensbrüche vor. Sogar Drohanrufe habe es gegeben. Dass sie sich keinem Lager in der Partei zuordnen, habe ihre Mitarbeit noch schwieriger gemacht. Aus vielen Prozessen seien sie »rausgehalten« worden. Gewichtige Vorwürfe, die inhaltlich nicht beantwortet wurden.

Anders als es nach den Debatten der letzten Monate zu erwarten war, stimmten die Delegierten auch für einen Antrag mit dem Titel »Vielfalt verbindet«, der die Partei aufforderte, sich gegen Rassismus, Sexismus und den Klimawandel zu engagieren und dafür Bündnisse einzugehen.

So bleibt der Eindruck von zwei Parteien in einer. Bewegungsorientierte Linke freuten sich, dass der »Vielfalt verbinden« Antrag angenommen wurde. Diejenigen, die der Strömung um Sahra Wagenknecht zugeneigt sind, stellten den Antrag der Bundestagskandidat*innen heraus. Weiter geht die Debatte, wenn über die Identitäts- und Klassenpolitik diskutiert wird. Denn auch ein Antrag, der diese Diskussion forderte, fand eine Mehrheit. Der Streit dürfte also weitergehen.

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