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- Polen und die EU
In die Falle gesiegt
Stephan Fischer zum Urteil des polnischen Verfassungsgerichts zum EU-Recht
Warschau beugt sich Brüssel nicht – so wird die Erzählung der Regierungspartei PiS und ihrer Sympathisanten nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts lauten. Aber dieser ultimative Beweis polnischer Souveränität, vom höchsten Gericht Polens auf Anfrage des PiS-Premiers nun nach vielen Verzögerungen geliefert – er ist ein Pyrrhussieg. Nun wird die Sackgasse für jedermann offenbar, in die sich die nationalkonservative Regierung unter der Führung der PiS mit ihren Justizreformen in den vergangenen sechs Jahren manövriert hat. Mit dem Urteil jener Institution der Justiz, die die PiS nach 2015 durch Rechtsbrüche als erste unter ihre Kontrolle brachte, schließt sich nun ein großer Kreis. Die PiS hat jetzt ihren ultimativen Beweis polnischer Souveränität – und nun? Zum Ersten wird einem Urteil des Verfassungsgerichts, das von der EU nicht als unabhängige Instanz betrachtet wird, kaum Beweiskraft zugeschrieben. Zum Zweiten ist ein politisches Durchschlängeln an sein Ende gelangt. Premier Morawieckis Äußerungen vom Freitag deuten darauf hin, dass die polnische Rechtsregierung sich weiter an der Quadratur des Kreises versuchen will: EU-Mitgliedschaft ja, aber die Gültigkeit des Regelwerks je nach Situation entweder anerkennen oder bezweifeln. Lange kam die PiS damit auch durch – aber nun hat sie sich selbst die Frage beantworten lassen, die für diesen Schlängelkurs unbedingt offenbleiben musste.
Lange wird sich die PiS nicht an diesem vermeintlichen Triumph erfreuen können. Die polnische Bevölkerung steht so geschlossen wie kaum eine andere in der EU für die Mitgliedschaft – das ist ihr Verständnis von Souveränität im 21. Jahrhundert, in dem nationale Behauptung eben nur noch durch Einbindung in staatenübergreifende Bündnisse möglich ist. Und die EU? Wird wahrscheinlich schnell die Daumenschrauben anziehen – allein bis zu 40 Milliarden Euro Coronahilfen stehen im Feuer. Die PiS hat nun ihr Urteil – und wird von fast allen Seiten dafür verurteilt.
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