Familienpolitik auf den Philippinen

Ferdinand Marcos und Sara Duterte wollen wie ihre berüchtigten Väter ins Präsidentenamt einziehen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

Was für Ferdinand Marcos Junior der Rat seines Vaters bedeutet? Auf diese Frage muss der Diktatorenspross ein kurzes Lachen ausstoßen, dann blickt er an der Kamera vorbei in die Ferne: »Die Welt. Er bedeutet so viel wie die ganze Welt für mich.« Das PR-Video, das der Politiker schon vor zwei Jahren auf Youtube hochlud, enthielt noch Fragen über den Modestil des 1989 verstorbenen Ferdinand Marcos Senior, dessen Humor und die Dinge, die der Sohn an ihm besonders schätzt. Eine kritische Frage kam nicht vor.

Dabei müsste es in einer Demokratie, wie es die Philippinen sind, eigentlich Konsens sein, dass man sich mit einem Namen wie Marcos erst mal distanziert auseinandersetzt, ehe man womöglich ins Loben kommt. Ferdinand Marcos Senior regierte den Inselstaat in Südostasien von 1965 bis 1986, rund die Hälfte davon als Diktator. Ab 1972 galt das Kriegsrecht im Land, Zehntausende Oppositionelle, Journalisten und Aktivisten wurden verhaftet oder getötet. Außerdem stahl die Familie Milliarden US-Dollar öffentlicher Gelder. Als das Marcos-Regime 1986 durch Demokratieproteste gestürzt wurde, galt die Marcos-Ära längst als dunkler Abschnitt der nationalen Geschichte.

Dieses vermeintlich abgeschlossene Kapitel erlangt nun neue Bedeutung, denn Ferdinand Marcos Junior will in die Fußstapfen des Vaters treten. Wenn die Philippinen im Mai 2022 ihr neues Staats- und Regierungsoberhaupt wählen, würde Marcos Junior gerne der neue Präsident des 110-Millionenlandes werden. Dabei hat »Bongbong«, wie der 64-Jährige oft genannt wird, zwar seinen Respekt für Menschenrechte erklärt. Von seinem Vater distanzieren will er sich aber nicht. Und dennoch, oder gerade deshalb, geht Marcos laut Umfragen als Favorit in den gerade begonnenen Wahlkampf.

Ein Grund, warum seine Aussichten gut erscheinen, ist eine zweite kontroverse Personalie: Sara Duterte, 43 Jahre alt und Tochter des seit 2016 regierenden Präsidenten Rodrigo Duterte. Der Vater gewann vor sechs Jahren eine Wahl, in der er damit geworben hatte, Drogenabhängige töten zu lassen. Auch durch den Einsatz von Trollen im Internet konnte sich der Politiker, der es zuvor als Bürgermeister der südphilippinischen Stadt Davao mit ähnlichen Mitteln zu fragwürdiger Popularität geschafft hatte, bis jetzt an der Macht halten. Und Sara Duterte, die derzeit Davao regiert, will nun in die nationale Politik einsteigen und Vizepräsidentin werden. Marcos Junior will mit Duterte gemeinsam Wahlkampf machen. Der Sohn eines Ex-Diktators im Duett mit der Tochter eines autoritär und brutal regierenden Präsidenten: Es ist nur eine von mehreren kuriosen Facetten, die sich im Vorfeld der philippinischen Wahlen zeigen. Da ist etwa der Ex-Boxer Manny Pacquiao, der als einziger Athlet seiner Sportart in acht Gewichtsklassen Weltmeistertitel gewann. Seit einigen Jahren ist der streng katholische und erklärt homophobe Pacquiao auch Abgeordneter im Parlament, hat lange Zeit Dutertes Arbeit unterstützt. Nun tritt Pacquiao mit einem Versprechen, gegen Korruption und Armut vorzugehen, als Kandidat auf den Präsidentschaftsposten an.

Mit Christopher Go bewirbt sich noch ein weiterer Weggefährte von Rodrigo Duterte, mit der Demokratieikone Leni Robredo allerdings auch eine harsche Gegnerin. Die Menschenrechtlerin ist derzeit Vizepräsidentin, ein Amt, das separat von jenem des Präsidenten gewählt wird und auf den Philippinen durchaus in Opposition zum Regierungschef stehen kann. Robredo hat den Kurs von Duterte immer wieder kritisiert, setzte sich 2016 auch mit ihrer erklärten Distanz zu Duterte in der Wahl ums Vizepräsidentenamt durch - damals gegen Ferdinand Marcos Junior, der den Posten ebenfalls ins Visier genommen hatte.

Diesmal aber gilt Marcos als Favorit, und dies eben im Duett mit Sara Duterte. Was diese beiden Kandidaten im Rahmen demokratischer Wahl so populär macht, ist immer wieder ein Gegenstand von Diskussionen. Als wichtige Gründe gelten die harte Hand und Rhetorik ihrer Väter, die zwar brutal gewesen ist, aber eben auch kompromisslos daherkommt. Und sie ist die Antithese zu den Dynastien demokratischer Politikerinnen und Politiker, die als elitär und bisweilen unentschlossen angesehen werden.

Wo demokratische und moderate Politiker des liberalen Lagers etwa bei der Bekämpfung von Armut und Kriminalität eher auf sachliche Art kleine Fortschritte betonen, sucht etwa Rodrigo Duterte lieber Emotionen und Sündenböcke. Die vermeintlich ehrliche Brutalität, die auch als Qualität des Ex-Diktators Marcos gilt, wird bei vielen Wählern nun zu einem Vorteil für deren Kinder. Weil Marcos und Duterte aber immer wieder ausweichen, wenn es darum geht, sich von ihren Eltern zu distanzieren, wären von einer durch sie geführten Regierung zunächst kaum große Fortschritte zu erwarten, was etwa die Achtung von Menschenrechten angeht.

Die linke Opposition befürchtet vielmehr, dass Marcos und Duterte die Aufarbeitung der Verbrechen durch den nun scheidenden Präsidenten verhindern würden. Und dies womöglich für längere Zeit. Denn wenn die sechs Jahre, auf die eine Regentschaft begrenzt ist, vorbei sind, könnte umgekehrt Sara Duterte um den Präsidentenposten kandidieren, dann mit Marcos Junior als Vize.

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