Mehr als nur einen Fuß in der Tür

Die Immobilienlobby hatte in der vergangenen Legislatur offenbar direkten Zugang zu Bundesministerien und Kanzleramt

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinter der besinnlichen Fassade des Kanzleramts wird der Kapitalismus zementiert: Bestimmte Lobbyisten werden hier wohl auch weiterhin gern empfangen.
Hinter der besinnlichen Fassade des Kanzleramts wird der Kapitalismus zementiert: Bestimmte Lobbyisten werden hier wohl auch weiterhin gern empfangen.

Es ist ein oft bemühtes Argument der Eigentümer*innen-Lobby, dass die abhängig Beschäftigten und sogenannten kleinen Leute überhaupt ja auch Lobbyist*innen haben, wie beispielsweise den Mieterbund oder den Paritätischen Wohlfahrtsverband und angeblich viele andere. Wie fadenscheinig dieses Argument ist, zeigen die Antworten der gerade verabschiedeten schwarz-roten Bundesregierung auf zwei Anfragen der Linksfraktion. Deren wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay hatte gefragt, welche Gespräche es seit März 2018 zwischen Vertreter*innen der Bundesregierung mit Interessensvertreter*innen der Immobilienlobby sowie von Mieter*innen gab. Aus den Antworten geht deutlich hervor, wie ungleich sich die Treffen der Bundesregierung mit den verschiedenen Lobbygruppen verteilen.

So trafen sich Bundesminister*innen und Staatssekretär*innen seit 2018 zu persönlichen Gesprächen 56-mal mit der Immobilienlobby. Dagegen fanden nur 20 Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Mieter*innen statt. Somit empfing die Bundesregierung die Immobilienlobby nahezu dreimal häufiger als die Lobby der Mieterinnen und Mieter.

Insbesondere der Wohnungsbaukonzern Vonovia sticht dabei mit seiner intensiven Lobbytätigkeit heraus - satte 19 Gespräche konnte der Konzern aus Bochum mit Vertreter*innen auf höchster Ebene der letzten Bundesregierung führen. Damit hat also allein Vonovia fast genauso viele Gespräche mit hochrangigen Bundespolitiker*innen geführt wie die gesamten Lobbyvertretungen der Mieter*innen.

Und Vonovia ist damit auch der neue Platzhirsch in der Immobilienwirtschaft, zumindest was seinen möglichen Einfluss auf die Politik betrifft. Denn der Konzern hat auch deutlich mehr Gespräche geführt als der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) - dieser weist zwölf Treffen auf. Die nominell größte deutsche Interessengemeinschaft privater Hauseigentümer*innen, Haus und Grund, sowie der Zentrale Immobilienausschuss haben sich jeweils achtmal mit Bundespolitiker*innen getroffen.

Besonders pikant ist, dass Vonovia offenbar einen exklusiven Zugang zum Bundesfinanzministerium hatte. Die Lobbyist*innen konnten den zuständigen Minister - es war seit 2018 der am Mittwoch zum neuen Bundeskanzler gewählte Olaf Scholz (SPD) - sogar persönlich treffen. »Und das obwohl gerade dieser Konzern seit einiger Zeit wegen der Ausquetschung seiner Mieter*innen zu Recht stark in der öffentlichen Kritik steht«, erinnert Lay.

Zudem liege die Vermutung nahe, dass beispielsweise der Gesetzentwurf zu den sogenannten Share Deals, der großen Konzernen mittels Anteilsverkäufen erhebliche Steuereinsparungen ermöglicht, unmittelbar auf den Lobbyeinfluss von Vonovia zurückzuführen sei. »Wir können das im Detail noch nicht nachweisen, aber die kurz aufeinanderfolgenden Daten des Treffens und der Gesetzesvorlage sprechen sehr dafür«, so Lay. Um zukünftig genau nachvollziehen zu können, zu welchem Gesetzentwurf ein Lobbygespräch stattfindet, fordert die Linke von der Ampel-Koalition die Einführung des sogenannten legislativen Fußabdrucks. Mit diesem würde klar erkennbar, wie und von wem welche Maßgabe ihren Weg in das jeweilige Gesetz gefunden hat.

Wie insgesamt weist auch das zuletzt von Olaf Scholz geführte Bundesfinanzministerium ein starkes Ungleichgewicht zwischen Treffen mit den beiden Lobbygruppen auf. Während nur ein Treffen mit dem Mieterbund stattfand, gab es insgesamt 13 Treffen mit der Immobilienlobby. An vier davon nahm Scholz persönlich teil, womit laut Lay kein anderer Minister so häufig Vertreter*innen der Immobilienlobby traf wie der neue Bundeskanzler. »Die Tatsache, dass unter den Minister*innen der letzten Bundesregierung niemand so einen kurzen Draht zur Immobilienlobby hatte wie Olaf Scholz, lässt für die nähere Zukunft nichts Gutes hoffen«, stellt Lay dementsprechend fest.

Wie zum Bundesfinanzministerium hatte die Immobilienlobby in den vergangenen knapp vier Jahren auch einen direkten Draht ins Kanzler*innenamt. Fünfmal konnte Haus und Grund demnach mit Staatsminister Hendrik Hoppenstedt (CDU) sprechen. Der Branchenverband GDW traf sich zudem zweimal mit Hoppenstedt und einmal mit Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU).

»Dieses Ungleichgewicht bei den Gesprächen ist Teil der Erklärung, warum so viele Gesetzesvorhaben gegen Spekulation und zum Schutz von Mieter*innen aufgeweicht oder gar nicht erst angefasst wurden«, resümiert Linkspolitikerin Lay. Besonders erschreckend sei dabei für sie die Tatsache, »dass ein einzelner Immobilienkonzern, nämlich Vonovia, offenbar deutscher Meister im Lobbyismus ist.« In der Regel seien das ja eher die Dachverbände, und in denen der Immobilienwirtschaft habe Vonovia ja auch noch viel zu sagen, so Lay weiter.

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