Reich, reicher, am reichsten

Das Vermögen der Milliardäre ist während der Corona-Pandemie noch schneller gewachsen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Reiche sind begehrt. Dies belegte dieser Tage ein Bericht der Beobachtungsstelle für Steuerfragen der EU. Die Hälfte der Mitgliedsländer gewährt demnach reichen Ausländern Steuerprivilegien, um sie ins Land zu locken. Chef des »EU Tax Observatory« ist der französische Ökonom Gabriel Zucman. Dessen berühmter Doktorvater Thomas Piketty legte nun in Paris mit einem Bericht zur weltweiten Ungleichheit nach. Demnach nimmt die Zahl der Reichen und Superreichen zu - und sie werden immer reicher: Die reichsten zehn Prozent der globalen Population besitzen 75 Prozent des Vermögens, die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur zwei Prozent.

Während der Corona-Pandemie haben die Superreichen ihren Anteil am globalen Vermögen in Rekordgeschwindigkeit vergrößert. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht zur weltweiten Ungleichheit (»World Inequality Report 2022«). Seit 1995 sei der von den Milliardären dieser Welt gehaltene Anteil am globalen Vermögen von ein Prozent auf drei Prozent gestiegen, heißt es in dem Bericht. »Dieser Anstieg hat sich während der Corona-Pandemie verschärft. De facto markiert das Jahr 2020 den steilsten Anstieg des Anteils der Milliardäre am aktenkundigen Vermögen.« Die zehn reichsten Menschen der Welt verfügen jeweils über mehr als 100 Milliarden Dollar. An der Spitze steht der Chef des Autobauers Tesla, Elon Musk, mit 265 Milliarden Dollar (235 Milliarden Euro).

Herausgegeben wird der Ungleichheitsbericht vom World Inequality Lab, einem Projekt der Pariser Universität École d’Économie. Der erste Report war im Dezember 2017 erschienen. Als Initiator gelten Gabriel Zucman und Thomas Piketty. Der Ökonom wurde durch seinen Bestseller »Das Kapital im 21. Jahrhundert« weltberühmt. Darin zeigt er anhand von historischen Daten aus 20 Ländern, dass Gewinne aus Kapital höher sind als die Wachstumsraten, weshalb die Ungleichheit auch in ruhigeren als Corona-Zeiten im Trend zunimmt.

»Nach mehr als 18 Monaten mit Covid-19 ist die Welt noch polarisierter«, sagte der Ko-Direktor des World Inequality Lab, Lucas Chancel. Während das Vermögen der Milliardäre um mehr als 3,6 Billionen Euro gewachsen sei, seien weitere hundert Millionen Menschen weltweit in die extreme Armut abgerutscht.

Deutschland schneidet noch vergleichsweise moderat ab. Seit den 1970er Jahren stieg von den reichen Staaten vor allem in Spanien, den USA und Frankreich das Vermögen der Reichen rasant an. Aber selbst in der Bundesrepublik wuchs der private Reichtum von rund 200 auf 500 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Gleichzeitig sank das öffentliche Vermögen - gemeint ist das des Staates nach Abzug der Schulden - unter den Wert des BIP. Bei den Einkommen vergleichen die Autoren das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Erwachsenen mit dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen des oberen Zehntels der Gesellschaft. In Deutschland verdient ein Angehöriger der Top-Ten zehnmal so viel wie ein Normalsterblicher. In Frankreich beträgt der Faktor lediglich sieben, in China 14 und den USA 17.

Vom Trend zur Ungleichheit betroffen ist auch die Mittelschicht. Der neue WSI-Verteilungsbericht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung beschreibt zwar eine jahrelang eher positive Entwicklung. »Die Mittelschicht in Deutschland ist trotz zunehmender Globalisierung in den Jahren vor der Coronakrise wirtschaftlich nicht weiter unter Druck geraten.« Aber jetzt erleide vor allem die »untere Mitte« Einkommensverluste.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Industriestaatenorganisation OECD: Das Risiko, aus der Mittelschicht abzusteigen, habe in den vergangenen Jahren vor allem in der unteren Mittelschicht zugenommen, ist die Quintessenz einer neuen Studie der OECD und der Bertelsmann-Stiftung. Dagegen sieht das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die »relative Verteilung der Einkommen stabil«. Allerdings basiert der »Verteilungsbericht« des IW auf Umfragen, die im Jahr 2018 enden.

Doch ökonomische Trends basieren ohnehin nicht auf Naturgesetzen. Politisches Handeln hat ökonomische Ungleichheiten in der Vergangenheit korrigiert, so Piketty und seine Mitstreiter, und kann das auch wieder tun. Nach Ansicht der Forscher kann die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich vor allem durch eine »bescheidene und progressive« Besteuerung ab einer Million Dollar umgekehrt werden. Als weiteres Argument für eine zusätzliche Besteuerung der Reichen und Superreichen führen die Experten den steigenden Bedarf der Staaten »nach« Corona an, ihre Ausgaben zu finanzieren.

Die Autoren des 230-Seiten-Berichts fordern zudem ein internationales Finanzregister, um der Steuerflucht zu begegnen. Und sie schlagen vor, Steuerpflichtige, die wegen höherer Steuern in ihrem Heimatland in einen anderen Staat übersiedeln, mit einer Sonderabgabe (»Exit Tax«) zu belegen.

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