• Politik
  • Wissenschaftsladen Dortmund

Linkes Internetprojekt im Querdenker-Sumpf angekommen

Ehemalige Mitstreiter*innen wehren sich gegen Querfront bei free.de

Der Wissenschaftsladen Dortmund (Wila) ist eine Institution in der linken Szene des Ruhrgebiets. Anfang der 1980er Jahre wurde der Verein von Studierenden der Technischen Universität gegründet. Der Wila ist für viele Projekte verantwortlich. Früh hatte er eine Solaranlage auf dem Dach des Kulturzentrums »Langer August« in Dortmund gebaut. Eine Fahrradwerkstatt mitinitiiert und Jugendarbeit in der Nordstadt gemacht. Das bekannteste Projekt des Wila ist free.de, ein Internetprojekt, das es seit 1991 gibt. Für die linke Netzinfrastruktur in Deutschland war free lange Zeit wichtig. Lange bevor es eine Schwämme an Blogbetreibern gab, konnten linke Projekte ihre Internetseiten bei free laufen lassen. Auch Mailadressen und Datei-Container bietet free an. Das Versprechen dabei, Menschen unterstützen, die »das Netz als Werkzeug in emanzipativen Auseinanderset­zungen nutzen wollen«.

Davon ist heute leider wenig übrig geblieben. Mit einer Erklärung wenden sich ehemalige Mitstreiter*innen, User*innen und Unterstützer*innen von free.de und dem Wila Dortmund an die Öffentlichkeit. Für sie ist das Projekt bei den Querdenkern und Corona-Leugnern angekommen. Das dieser Vorwurf nun öffentlich gemacht wird, liegt in letzter Konsequenz an Demoteilnahmen von Protagonisten des Projekts. Am dritten Januar demonstrierten sie in Dortmund bei einer Demo von Coronaleugnern. Mit dabei auch Neonazis der Partei »Die Rechte«. Seitdem sei »die Zeit der internen Aufarbeitung vorbei«, heißt es in der Erklärung der ehemaligen Mitstreiter*innen.

Auch in Dortmund dürfe man sich »keine Illusionen« über den Charakter dieser Demos machen. Kritik an der Demoteilnahme habe bei den Betreibern von free.de keine Wirkung gezeigt. Um einen »Ausrutscher« handele es sich dabei nicht, so die ehemaligen Mitstreiter*innen: »Die bei free.de verbliebenen Personen scheinen sich schon vor einigen Jahren in eine bedenkliche Richtung radikalisiert zu haben.« Um das festzustellen, hilft ein Blick auf die Internetseite des Wissenschaftsladens. Seit Beginn der Pandemie werden dort Videos und Texte von Querdenkern wie Sucharit Bhakdi verbreitet. In der Regel handelt es sich um pseudowissenschaftliche Beiträge, deren Inhalte längst widerlegt sind. Versuche, dagegen zu intervenieren, seien gescheitert, heißt es in der Erklärung. Mahnende Stimmen hätten kein Gehör gefunden und seien aus dem Projekt gedrängt worden.

Warum es wichtig ist, über die Entwicklungen bei einem kleinen Dortmunder Verein zu informieren? free.de hat noch immer eine große Nutzerbasis. Server und Dienstleitungen werden beansprucht. 2018 gab es eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten des Wissenschaftsladens. Französische Atomkraftgegner hatten Baupläne von Atomkraftwerken bei free.de abgelegt. Die Durchsuchung führte zu einer breiten Solidarität in der linken und netzpolitischen Szene. Die ehemaligen Mitstreiter*innen des Projekts sind der Meinung, dass free.de jetzt »das Vertrauen verspielt« habe und als »linke digitale Infrastruktur nicht mehr tragbar« sei.

Nutzer*innen sollten überlegen, ob sie weiter mit dem Projekt zusammenarbeiten wollen. Lokal in Dortmund wird es bald um den Umgang mit dem Wissenschaftsladen im Kulturzentrum »Langer August« gehen. Eine Protagonistin von free sitzt im Vorstand des Trägervereins. Im Februar gibt es eine Mitgliederversammlung mit dem Ziel, die linke Querdenkerin abzuwählen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal