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Lasst uns in Frieden (5): Für die gewaltlose Ordnung
Wie sich Augustin Souchy eine Gesellschaft ohne Krieg vorstellte
Seit dem frühen Kindheitsalter erzählte mir mein Vater vom Leid des Zweiten Weltkrieges. Er hasste den Krieg, der ihm seinen Bruder, seine Freunde und das elterliche Haus in Weimar genommen hatte. Er verachtete (zumeist leise) alles Militärische und konnte sehr gut mit meiner Entscheidung leben, in der DDR beim waffenlosen Bausoldatenregiment zu dienen (wenn überhaupt).
Glück für mich, dass es anders kam. Ich machte mich 1984 nach Westberlin aus dem Staub und drehte fortan der Bundeswehr und sämtlichen Armeen der Welt die Nase. »Mein herrschaftsfreies Streben galt stets der Errichtung einer gewaltlosen Ordnung an Stelle der organisierten Gewalt« hat Augustin Souchy (1892-1984) geschrieben. Ich habe es 1983 in der DDR mit Souchy gehalten, ich habe es ab 1984 in Westberlin mit Souchy gehalten und habe meine Sicht auf die Dinge auch nach dem Überfall Putins auf die Ukraine nicht geändert. Souchy sagte kurz vor seinem Tod, er hätte »viel erstrebt und wenig erreicht«. Wäre er ein braver Buddhist, bedeutete das, den direkten Weg ins große Nichts gefunden zu haben. Unsere Welt ist oft böse, hässlich und gemein. Genauso oft ist sie schön, gut und redlich. Ich kann mich nicht mit Menschen (fast immer sind es Männer) gemein machen, die mit ihrem Gewehr, ihrem Geschoss, ihren gepanzerten Fahrzeugen anderen Menschen nach den Leben trachten. Ich verachte sie ausnahmslos, weil sie roh sind und das Schöne nicht sehen. Wenn sie eine Wiese betreten, zerfällt das Blumenmeer zu Staub. Sie verachten Literatur und benutzen Papier höchstens zum Anzünden einer Bibliothek.
Das Leben des in Schlesien geborenen Antimilitaristen und Anarchisten Souchy war eine einzige Fluchtgeschichte. Er war mehrfach in aller Welt inhaftiert und hatte sehr viel Spaß, obwohl es wenig zu lachen gab. Aber weil nur der sich perfekt zum Besten halten kann, der seine Sache auf nichts stellt (Max Stirner, noch ein Anarchist), hatte Souchy meist recht. Frank Willmann
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