Flüssiggas als Retter in der Not?

Dr. Schmidt erklärt die Welt: Flüssiggas soll von Russland unabhängig machen - doch so einfach geht das nicht

Flüssiggas als Retter in der Not?

Im Zuge des Ukraine-Krieges wird mal wieder Flüssiggas angepriesen, am besten direkt aus Amerika. Was ist davon zu halten?

Steffen Schmidt
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Nicht viel, fürchte ich. Einerseits sind die USA bei Flüssiggas nicht so groß, wie uns manche Leute weismachen wollen. Die sind bei Flüssiggas nur der sechstgrößte Exporteur - mit deutlichem Abstand zu den zwei Spitzenreitern.

Und wer ist der größte? China?

Ach wo! Die mögen vielleicht große Kunden sein, aber das war’s. Katar ist der größte Flüssiggas-Exporteur. 2018 hatten die einen Weltmarktanteil von knapp 28 Prozent. Und was mich noch mehr erstaunt hat: Auf Platz zwei ist Australien mit circa 20 Prozent.

Australien?

Die kommen in unseren europäischen Überlegungen wahrscheinlich nicht vor, weil die wahrscheinlich vor allem asiatische Länder beliefern. Japan zum Beispiel kann Erdgas praktisch nur per Schiff importieren, und das ist eben Flüssiggas. Und da ist Australien der Lieferant der Wahl.

Ist das nicht sehr aufwendig, Flüssiggas mit Schiffen zu transportieren?

Der Transport ist das kleinste Übel, egal ob das Gas aus den USA, aus Nigeria, Algerien, Katar oder sonst woher kommt. Wenn das Gas erst mal flüssig ist, hat es eine sehr hohe Energiedichte. Die Schiffe können sogar mit dem ausgasenden Gas angetrieben werden.

Und auch eine Pipeline frisst Energie und braucht vor allen Dingen beim Bau eine Menge Material. Allein in den beiden Nordstream-Pipelines liegen über vier Millionen Tonnen Stahl auf dem Grund der Ostsee. Nicht zu reden von den Pipelines an Land. Und außer den Gaspipelines aus Russland gibt es ja noch welche aus Nordafrika nach Spanien und aus Aserbaidschan bis nach Italien.

Was spricht dann gegen Flüssiggas?

Der Schwachpunkt ist die Verflüssigung. Wenn du ein Gas verflüssigen willst, musst du es entweder sehr stark komprimieren oder sehr stark abkühlen. Und stark abkühlen heißt bei Erdgas auf minus 163 Grad Celsius. Deshalb frisst allein die Verflüssigung 10 bis 25 Prozent des gesamten Energiegehalts des Ausgangsgases.

Und in den USA wird ja auch viel Erdgas mit Fracking gewonnen. Ist das nicht besonders umweltschädlich?

Das Verfahren ist riskant für das Trinkwasser vor Ort. Und beim Fracking entweicht wahrscheinlich deutlich mehr Methan als bei herkömmlichen Gaslagerstätten - schlecht fürs Klima. Das Umweltbundesamt hat vor zwei Jahren in einer Kurzstudie keinen umweltpolitischen Pluspunkt bei Flüssiggas gefunden. Es wäre nur nützlich, um die Lieferantenstruktur zu diversifizieren.

Dann kann niemand mehr so leicht den Hahn zudrehen ...

Ich hoffe stark, dass das nicht so bald passiert. Unser Block wird mit Erdgas beheizt. Und als Mieter kann ich daran nichts ändern.

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