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  • FC Bayern München gegen Villarreal

In der Champions League am »Dorfklub« gescheitert

Beim FC Bayern München tauchen nach dem Aus gegen Villarreal viele Fragen auf

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Erst am Tag danach wollte Julian Nagelsmann mit seinen Spielern über das Aus sprechen. Der Schock, bereits im Viertelfinale aus der Champions League ausgeschieden zu sein, und das auch noch gegen einen Außenseiter, saß bei allen Beteiligten zunächst zu tief. Unmittelbar nach dem 1:1 (0:0) im Rückspiel gegen den FC Villarreal hielt es der Trainer des FC Bayern nicht für sinnvoll, in eine erste Analyse zu gehen. Man müsse die Ereignisse erst einmal »sacken lassen und Ruhe finden«, sagte Nagelsmann. Das galt auch für ihn.

Am Mittwoch lief Nagelsmann dann beim Training der Reservisten gedankenversunken über den Platz, während das Stammpersonal oben im Fitnessraum regenerierte. In ersten Gesprächen begann am Tag danach die Aufarbeitung mit der Gewissheit, dass sein erstes Amtsjahr beim FC Bayern nicht zufriedenstellend enden wird. Abgesehen vom Gewinn des Supercups wird wohl nur der Meistertitel in Nagelsmanns Bilanz stehen. Zum zehnten Mal in Serie die Bundesliga als Erste abzuschließen, ist für die Münchner das Pflichtprogramm. Aus dem DFB-Pokal bereits in der zweiten Runde ausgeschieden zu sein, durch ein 0:5-Debakel in Mönchengladbach, wird den Ansprüchen ebenso wenig gerecht wie nun dieses Viertelfinalaus in Europa.

»Sollten wir Meister werden, ist es quasi das gleiche Ergebnis wie in der letzten Saison - und das ist für Bayern München, glaube ich, nicht ausreichend«, sagte Nagelsmann. In der Champions League sei »das Halbfinale ja immer das Minimalziel«, erinnerte er, »das haben wir nicht geschafft.« Nicht einmal gegen einen Provinzklub aus einem 50 000-Einwohner-Städtchen. Es sei »unglaublich«, die Bayern in deren Stadion ausgeschaltet zu haben, sagte der 36 Jahre alte Kapitän Raúl Albiol, »für das Dorf Villarreal ist es eine Heldentat - und für uns auch.«

Für die Münchner fühlte es sich umso mehr wie eine Blamage an. Dass der Gegner von der Ostküste Spaniens amtierender Sieger der Europa League ist, ändert wenig am Gefühl der Pein. Ebenso wenig, dass sie im Rückspiel deutlich engagierter aufgetreten waren als noch im 1:0 verlorenen Hinspiel. Robert Lewandowskis 13. Saisontor in der Champions League nach 52 Minuten war aber zu wenig, Villarreals Kontertor in der 88. Minute durch Samuel Chukwueze bedeutete das Aus.

Nun werden viele Fragen gestellt, und debattiert werden neben den Ursachen vor allem die Folgen. Welche Fehler wurden gemacht? Von Nagelsmann und seinen Spielern, nicht nur in den Partien gegen Villarreal, sondern in der ganzen Saison. Von ihren Vorgesetzten bei der Zusammenstellung des Kaders, der hinter der ersten Elf stark abfällt und kaum Alternativen bietet. Oder bei den großen Themen in dieser Saison, von der Impfdebatte bis zum Sponsoring aus Katar samt eskalierter Jahreshauptversammlung. Und bei den aktuell offenen Vertragsthemen, die immer mehr Störgeräusche verursachen, besonders im Fall des Weltfußballers Lewandowski. Es sind Fragen, die sich oft an Vorstandschef Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer richten. Moderieren musste diese Themen vor allem der 34 Jahre alte Trainer Nagelsmann in seinem ersten Amtsjahr.

Man werde »nicht in Tränen ausbrechen«, sagte Kahn nach dem Aus, sondern »im nächsten Jahr in der Champions League wieder angreifen«. Doch wird das aussichtsreich möglich sein, wenn Leistungsträger wie Lewandowski, Thomas Müller und Manuel Neuer eher nicht mehr stärker werden dürften im fortgeschrittenen Fußballeralter? Massive Investitionen in den Kader, mit denen die Münchner früher auf eine solche Enttäuschung reagiert haben, scheinen im internationalen Maßstab kaum mehr möglich. Dennoch hat Kahn den Anspruch für die Zukunft festgelegt, regelmäßig zu den Top Vier in Europa zu zählen.

Trainer Julian Nagelsmann weiß, dass er in seinem zweiten Jahr unter verschärfter Beobachtung stehen wird. Auch deshalb formulierte er schon am Dienstagabend eine Forderung, die bereits von seinem Vorgänger Hansi Flick geäußert worden war, als er wiederholt vergeblich nach Verstärkungen gerufen hatte. Nagelsmann sagte es so: »Wichtig ist, dass man immer auf der einen Seite das reinsteckt, was auf der anderen Seite rauskommen soll. Und wenn der Anspruch der gleiche ist, dann werden wir, wie alle anderen europäischen Topteams, uns auch umschauen müssen.« Kahn, Salihamidzic und Hainer werden es vernommen haben. Und sind nun ebenso gefordert.

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