Symbolpolitik mit hohem Preis

Zu den sozialen Folgen von Sanktionen gegen Russland

Die EU hat ein umfassendes Embargo für Öl aus Russland beschlossen, auch Erdgas will man perspektivisch von dort nicht mehr haben. Die Bundesregierung trägt die neue Sanktionsrunde vollumfänglich mit, hat sie sogar mit angeschoben. Die Begründung lautet allenthalben, man wolle den Kreml zwingen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Denn so könne er diesen nicht mehr lange finanzieren.

Doch viele Fachleute betonen, dass Russland den Krieg weitgehend unabhängig von Geldern aus Öl- und Erdgasverkauf sehr lange weiterführen kann. Zugleich weisen nicht nur Industrievertreter, sondern auch Gewerkschaften und Wirtschaftsforscher darauf hin, dass der Lieferstopp dramatische Folgen für die hiesige Wirtschaft haben wird. Hunderttausende Jobs seien in Gefahr, ganze Branchen könnten nicht weiter produzieren. Nicht nur die Chemieindustrie und die Energiebranche wären betroffen, denn zahlreiche Branchen sind auf deren Erzeugnisse angewiesen.

Die sozialen Folgen für viele Menschen dürften also gewaltig sein. Da wirkt es zynisch, wenn die Bundesregierung erklärt, die bisher beschlossenen und noch nicht umgesetzten Entlastungspakete sollten reichen, um die gravierenden Schwierigkeiten abzufedern, die auf Hunderttausende Menschen zu rollen. Schließlich hatten die vorigen Entlastungspakete vor allem mit den bereits vor dem Krieg, unter anderem infolge der Corona-Pandemie, bestehenden krisenhaften Entwicklungen zu tun. Die Regierungen Deutschlands und der EU verlangen von ihren Bürgern mithin, quasi in einem Akt der Solidarität den Gürtel enger zu schnallen, obwohl dies letztlich den Krieg keinen Tag verkürzen wird. Es wird lediglich auch auf russischer Seite mehr Menschen in tiefe Armut stürzen. Das ist so verantwortungslose wie effektarme Symbolpolitik.

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