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  • Anschlag auf die KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Die Bäume von Buchenwald

Karlen Vesper fordert schnelle Aufklärung und Ahndung

Er hatte »Glück im Unglück«, sagt Reinhold Lochmann, als Jungkommunist im Widerstand gegen Hitler zu Zuchthaus verurteilt, mit 24 in das gerade errichtete KZ Buchenwald deportiert und dort in die Rundfunkwerkstatt abkommandiert, wo er heimlich Nachrichten abhört. »Für unsere illegale Lagerorganisation.« Eines Tages fast ertappt, konstruiert der gelernte Feinmechaniker, vor dem Machtantritt der Nazis Mitglied im Arbeiter-Radio-Bund, einen Kurzwellenempfänger aus insgeheim abgezweigten Röhren und Spulen. Ein bescheidenes Gerät, das seinen Zweck erfüllt. »Auf dem Ettersberg genügt als Antenne ein Draht von anderthalb Meter Länge«, berichtete mir der Veteran.

Auch der zu seiner Erinnerung gepflanzte Baum auf dem Gelände eines der größten und berüchtigten NS-Lager ist geschändet worden. Sieben sind von neonazistischen Feiglingen nächtens angesägt oder abgebrochen worden, darunter ein Baum für die ermordeten Buchenwald-Kinder. Eine Schande, ein Skandal, eine Straftat. Die schnellstens und ernsthaft aufgeklärt und geahndet werden muss. Zumal es nicht der erste Anschlag auf diese lebenden, lebendigen Denkmale war. Es sind nicht »nur« Bäume, die von den Tätern verschandelt worden sind. Und dies just in den Tagen, da vor 85 Jahren der Aufbau des Lagers begonnen hatte. Am 15. Juli 1937 waren die ersten 149 Häftlinge auf den Ettersberg bei Weimar verschleppt worden, um erste Baracken unter der Knute der SS aufzustellen. In den folgenden fünf Wochen kamen bereits fast 2000 Häftlinge, darunter auch aus den »wilden« Konzentrationslagern Sachsenburg und Lichtenburg, bei der kräftezehrenden Fronarbeit unter unmenschlichsten Bedingungen um.

Es handelt sich bei den Anschlägen nicht um Dummejungen-Streiche. Das ist politischer Vandalismus. Das ist ein Angriff auf die demokratische Erinnerungs- und Gedenkkultur. Die Demokratie muss sich dagegen als wahrhaft wehrhaft erweisen. Entsetzen und Empörung genügen nicht, um solchen Untaten ein für allemal Einhalt zu gebieten.

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