- Kultur
- Sempé
Der Große Nick
Allein gegen die Welt: Der Zeichner Jean-Jacques Sempé ist gestorben
Der Zeichner Jean-Jacques Sempé, den man nur unter seinem Nachnamen kennt, ist am Donnerstag gestorben. Nächsten Mittwoch wäre er 90 Jahre alt geworden. Mit ihm starb einer der Großen – auch wenn diese Bezeichnung in den Nachrufen für jeden halbwegs prominenten Künstler inflationär geworden ist, stimmt sie hier einmal. Bekannt wurde Sempé mit dem Kleinen: Durch die Verkleinerung des Menschen inmitten großzügiger Wimmelbilder. Sein Stil war ein Triumph des Skizzenhaften, äußerst akkurat hingetuscht. Am bekanntesten wurde er durch die Darstellung des Kleinen Nick, dessen Abenteuer der Comic-Texter René Goscinny Mitte der 50er Jahre entworfen hatte. Ursprünglich war Nick eine Comicserie, die dann in der französischen Jugendzeitschrift »Pilote« in Textform erschien, illustriert von Sempé. »Pilote« bot viele Comics, der berühmteste wurde Asterix, den Goscinny mit dem Zeichner Albert Uderzo extra zur Gründung des Hefts entwickelt hatte. Ursprünglich war er Kolorist gewesen; einer, der die Strips einfärbt. Als er mit 51 Jahren 1977 starb, ging es ohne seine genialen Texte mit Asterix stark bergab.
Das war die wahr gewordene Katastrophe, die der Kleine Nick seinen Eltern immer wieder ankündigt. Wenn sie ihn ärgern, sagt er ihnen, dass er sie bald verlassen müsste. Die Eltern sind bei ihm noch viel blöder als die aus »Gregs Tagebuch«, notiert von seinem adoleszentem Nachfolger im Geiste. Und auch die Lehrer und Mitschüler. Nur, dass die von Jeff Kinney geschaffene Figur keine Geschwister hat, während Nick ein Einzelkind ist, allein. So wie Sempé, der als Kind bei gewalttätigen Pflegeeltern aufwuchs und ähnliche Possen erlebte, die aber in den Nick-Geschichten gut ausgehen. Das ist der zivilisatorische Fortschritt. Gut von seiner Arbeit konnte Sempé erst ab 1978 leben, als er begann, das US-Magazin »New Yorker« zu illustrieren – in Festanstellung: »Ich war fast 50 und zum ersten Mal in meinem Leben existierte ich«, sagte er später.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.