»Liebe ist ein Sprengstoff«

Am Samstag bekommt Uta Köbernick den Berliner Kabarettpreis »Eddi« verliehen

Uta Köbernick ist Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin. Am heutigen Samstag bekommt sie in Berlin den Kabarettpreis »Eddi« verliehen.
Uta Köbernick ist Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin. Am heutigen Samstag bekommt sie in Berlin den Kabarettpreis »Eddi« verliehen.

Edgar Külow ist Ihnen ein Begriff? Nach dem Schauspieler und Schriftsteller ist ja der »Eddi« benannt, den Sie an diesem Samstag verliehen bekommen.

Interview

Uta Köbernick ist Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin. Sie sagt über sich: »Ich wurde geboren in Berlin; den Rest habe ich gerne, widerwillig, gutgläubig, euphorisch,
unter Aufsicht, hingebungsvoll, halbherzig, vorsichtig, wütend und mit Liebe
selbst gemacht.« Am heutigen Samstag bekommt sie in Berlin den Kabarettpreis »Eddi« verliehen.

Ich muss gestehen, im ersten Moment war er es nicht. Dann machte es dunkel klick und das Gesicht kam mir so schwarzweiß bekannt vor, so eine seltsame DDR-Fernsehvertrautheit. Ich habe mich dann natürlich mit seinem Lebensweg und Schaffen vertraut gemacht.

Sie sind in Ostberlin geboren und leben in der Schweiz. Können Sie Schwyzerdütsch? Denn bei Ihren satirischen Auftritten im Schweizer Fernsehen fragen die Moderatoren auf Schwyzerdütsch und Sie antworten auf Hochdeutsch.

Ja, ich verstehe die Schweizer Mundart mit ihren vielen verschiedenen Dialekten inzwischen sehr gut. Man lernt es mit der Zeit und mit Neugier.

Der Popmusiker Knarf Rellöm, der längere Zeit in Zürich wohnte, sagte mir einmal: Entweder hätten die Schweizer keinen Humor – oder er habe ihn nie begriffen.

Beides stimmt vielleicht. Die Österreicher sagen das über die Deutschen übrigens auch. Wobei wir vielleicht beim Kern sind: »Die Schweizer« gibt es so nicht. Ich halte es da mit Gerhard Polt, der sagt: »Humor ist, wenn er stattfindet.«

Erlauben Sie noch eine Frage zur Schweiz: Kommt man da auch gut mit Französisch durch?

(lacht) Na klar, zum Beispiel in der französischen Schweiz klappt das ausgesprochen gut! Aber im Ernst: In der Romandie lernen die Kinder als erste Fremdsprache Deutsch, also Hochdeutsch, und verstehen dann ihre deutschschweizer Landsleute zwangsläufig sehr schlecht. Diese wiederum wechseln dann im Gespräch mit ihnen entweder ins Hochdeutsche – ein Hochdeutsch, das von Deutschen oft schon als Schweizerdeutsch missverstanden wird – oder ins Französische. Soviel zur Komik in der Schweiz. Und es gibt ja vier Landessprachen.

Sie haben als Kind im Kinderrundfunkchor gesungen und dann eine Theaterschule besucht. Warum treten Sie dann nur mit Ihrer Gitarre auf? Ist das nicht sehr puristisch, sozusagen Liedermacher*innen-orthodox? Können Sie und Ihr Publikum sich dann besser auf den Text konzentrieren?

Ich mag das Angedeutete, die musikalische Skizze. Mein letztes Programm hieß »Ich bin noch nicht fertig«. Und ja, ich bin eben auch gern autark. Aber das ist nur die eine Seite der Medaillenwahrheit, denn: Ich vermag es auch nicht anders. Eine Band und die ganz große Inszenierung – heimlich habe ich mir das manchmal sogar gewünscht, doch ich würde es nicht bewältigen, organisatorisch, finanziell, emotional, familiär. Ich bin chaotisch und auf eine charmante Weise unzuverlässig, vergesse viel und bin mit administrativem Kram oft heillos überfordert. Ich habe zwei Agenturen, eine für Deutschland und eine für die Schweiz – ohne die wäre ich aufgeschmissen. Auch Sie, Herr Meueler, mussten ja beide Agenturen kontaktieren und dann lange warten, um überhaupt kurz vor knapp noch dieses Interview mit mir machen zu können. Inzwischen kenne ich den Grund, ich habe wohl ADHS.

Im Januar 2021 haben Sie eins der schönsten Lieder aus dem Lockdown gesungen – und darin vor allem von dem Schnee, der wieder gefallen ist. Wie schlimm haben Sie die Pandemie als Künstlerin erlebt? Ich zum Beispiel habe als Zeitungsredakteur immer weiter gearbeitet, als sei nichts geschehen – nur eben oft als einziger Anwesender im Büro, in das ich auf leeren Straßen mit dem Fahrrad gefahren bin. Das hatte schon etwas von Science Fiction.

Oh, vielen Dank für das Kompliment für das Lied vom Schnee. Es stammt ja aus dem zweiten Lockdown. Ich glaubte zuerst, dass mir die Isolation nicht so viel ausmachen würde, weil ich gut allein sein kann. Ich habe mich getäuscht. Gerade weil ich gut allein sein kann, habe ich den schleichenden Wechsel zur Einsamkeit nicht bemerkt oder nicht wahrhaben wollen. Ich weiß, jetzt müsste man natürlich über die schwindenden Zuschauerzahlen und das Finanzielle sprechen, aber ich mag nicht mehr. Ich glaube, dass der ständige Aufruf, Karten zu kaufen, und dieses Betteln um Publikum unserer Branche mehr schaden als nützen. Die Leute, die ins Theater kommen, sind toll! Auch die wenigen. Man sollte sich nach all den Demütigungen nicht auch noch klein machen. Wir sollten uns gegenseitig helfen. Das Preisgeld vom »Eddi« werde ich zu gleichen Teilen dem Zebrano-Theater am Ostkreuz und dem Theatre a:part in Zürich spenden.

In ihrem Lied »Schulden« von 2017 singen Sie davon, dass Geld »als Mangelware total verbreitet sei«, denn alle hätten irgendwie Schulden. Und Sie fragen: »Satire darf alles, aber macht Sie auch Schulden?« Haben Sie da mittlerweile eine Antwort?

Nein. Eine schlechte Antwort kann eine gute Frage zerstören. Bei diesem Lied nähere ich mich dem Thema Schulden ja auf vielfältige Weise fragend an, politisch, religiös, familiär. Und es endet ja in der Zweierbeziehung mit den Worten: »Liebst du mich, oder begleichst du bloß Schulden?«

Wie komisch ist denn die Liebe? Es gibt einen Auftritt, da sagen Sie: »Ich liebe dich nicht mehr« – »Ist da ein anderer im Spiel?« – »Nein, nur du.«

Die Liebe, ach ja. Ist hochkomisch. Weil oft auch tragisch. Man macht sich lächerlich, auf rührende Weise. Mein vorletztes Programm hieß: »Grund für Liebe«. Manche fanden den Titel brav. Das habe ich nicht verstanden. Ich fand ihn größenwahnsinnig. Das Tolle an der Liebe ist: Sie stellt auch dem Braven ein Bein. Sie ist unberechenbar, irre, ungerecht und schert sich nicht um Konventionen und um die Folgen. Sie ist vieles, aber nicht brav. Sie ist ein Sprengstoff. Aber man kann sie sich nicht umschnallen. Und sie ist auch politisch. Denn sie geht über sich selbst hinaus.

Sie sangen einmal davon, Sie würden keine Protestlieder singen, sondern »Widerständchen«. Wie war das gemeint?

Hm, vielleicht als eine Verschönerung des politischen Protestliedes, ganz im Sinne des Ständchens. Andererseits auch als ein Realitätscheck des eigenen Widerstehens und des Aushaltens von Ambivalenzen.

Samstag, 19 Uhr, Verleihung des »Eddi« 2022, Kulturhaus Karlshorst, Treskowallee 112, Berlin.

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