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Wenn der Polizist nur Deutsch versteht

Studie der Technischen Universität Berlin vorgestellt

Ein Schwarzer fragt an einem Streifenwagen nach dem Weg und soll erst einmal seine Papiere zeigen, was ein Weißer sicher nicht gemusst hätte. Das ist diskriminierend. Die Polizisten hören nicht zu, unterbrechen ungeduldig, sprechen unhöflich und respektlos mit bestimmten Menschen, duzen sie einfach oder schreien sie sogar an. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite jagt allein schon der Anblick von Polizeiuniformen Menschen Angst ein, die aus Diktaturen nach Deutschland geflüchtet sind. Wenn sie schlecht oder gar nicht Deutsch sprechen und die Polizisten keine Fremdsprachen beherrschen und obendrein gestresst sind, kommt es zu Missverständnissen. Das alles gilt es zu bedenken und bei der Ausbildung von Polizisten zu beachten. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Senatsinnenverwaltung in Auftrag gegebene Berliner Polizeistudie zu Rassismus und Diskriminierung.

Erstellt wurde diese vom Zentrum für Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin unter Leitung von Christiane Howe. Sie und vier Kollegen haben vom Juni 2021 bis Mai 2022 Experten sowie Vertreter von Verbänden und Verwaltung interviewt sowie dreieinhalb Monate lang in fünf Polizeidienststellen zugeschaut. Diskriminierendes Denken und Handeln gebe es wie in allen gesellschaftlichen Bereichen auch bei der Polizei, sagt Howe. Kernfrage sei gewesen, wie man dem begegnen könne. »Unsere Studie liefert hierfür eine Reihe von Handlungsempfehlungen.« Vorgeschlagen werden etwa Sprachkurse, die Behandlung der Kolonialgeschichte in Aus- und Weiterbildung sowie Mitgefühl als wichtiges Kriterium bei Auswahlverfahren.

»Nur wenn wir die Probleme in ihrer ganzen Komplexität verstehen, können wir Lösungen finden«, dankt Innensenatorin Iris Spranger (SPD) den Wissenschaftlern. Ihr Ressort werde zusammen mit der Polizei »die Umsetzung der Handlungsempfehlungen auf den Weg bringen«.

»Die Studie zeigt, wie sich im Handeln der Berliner Polizei immer wieder rassistische Denkmuster widerspiegeln und die Perspektive der Betroffenen noch nicht ausreichend berücksichtigt wird«, urteilt der Abgeordnete Vasili Franco (Grüne). Für den Abgeordneten Niklas Schrader (Linke) zeigt die Untersuchung, »dass die Polizei sich diesem Problem stellen muss, statt es von sich zu weisen, wie es vor allem Polizeigewerkschaften häufig tun.«

Dagegen frohlockt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei, die Studie liefere sicher nicht das, was sich der eine oder andere in der Politik so erhofft hätte. »Wir werden uns in den nächsten Tagen sehr ausführlich mit den 141 Seiten auseinandersetzen, um uns in gebotener Tiefe und Wertschätzung zu den Ergebnissen der Untersuchung äußern zu können. Auf den ersten Blick wird aber schon deutlich, dass eher bei den Rahmenbedingungen und der politischen Bildung in der Gesellschaft als bei der täglichen Polizeiarbeit in dieser Stadt Optimierungsbedarf besteht.« Jendro kritisiert wie die Autoren der Studie ein Disziplinarrecht, das keinen Raum dafür lasse, als Polizist aus Fehlern zu lernen.

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