Diskutieren über einen Systemwechsel

Zusammenhänge von Klima und Kapitalismus im Fokus des Kongresses »System Change« in Leipzig

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Faktenlage ist eindeutig: Nur noch etwa zehn Jahre bleiben der Menschheit, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Verschiedene Studien belegen, dass wir deutlich mehr gegen den Klimawandel tun und dabei deutlich schneller werden müssen. Beispielsweise kommt die Analyse einer internationalen Gruppe von Klimaforschenden zu dem Ergebnis, dass bis 2030 mehrere Kipppunkte für das Weltklima erreicht werden könnten. So könnte die Eisschmelze bis dahin so weit vorangeschritten sein, dass die Entwicklung unumkehrbar wird. Auch Permafrostböden und Korallenriffe sind dauerhaft gefährdet. Werden Kipppunkte überschritten, können sich Kettenreaktionen in Gang setzen: Ein massiver Anstieg des Meeresspiegels und extreme Hitze rund um den Äquator könnten Ernteausfälle, Hunger, Ausbreitung von Krankheiten mit vielen Todesopfern, Massenflucht und sogar internationale Konflikte auslösen.

Die Feststellung, dass der Kampf gegen den Klimawandel zentral für das Überleben der Menschheit ist und deshalb zu den drängendsten Zukunftsaufgaben gehört, hat sich in Deutschland – mit Ausnahme von unverbesserlichen Leugnern und Verharmlosern aus der politischen Rechten – mittlerweile durchgesetzt. Hinsichtlich der Strategien gehen die Meinungen jedoch auseinander. Auf Demonstrationen der Klimabewegung liest und hört man immer wieder: »System change not climate change!« Viele Klimaschützer*innen sind überzeugt davon, dass nur ein Wechsel des Wirtschaftssystems den Klimawandel noch aufhalten kann, anders als zum Beispiel Finanzminister Christian Lindner, der auf den Markt und neue Technologien setzt.

Auch auf einem Kongress des sozialistisch-demokratischen Studierendenverbandes (SDS), der am kommenden Wochenende in der Universität Leipzig stattfinden wird, steht jener Slogan im Zentrum: »System Change«. Der SDS will »2000 junge Menschen, die die Welt verändern wollen«, in Leipzig versammeln. Auf Podien und Diskussionsveranstaltungen will man Zusammenhänge zwischen Klima und Kapitalismus erörtern sowie über Strategien im Kampf gegen den Klimawandel nachdenken. Dabei bezieht man sich positiv auf die Proteste der Bewegung »Fridays for Future«, die »die verheerenden Folgen des Klimawandels und die Dringlichkeit einer Veränderung ins breite Bewusstsein der Gesellschaft hineingetragen« hätten. Mit der Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) »schienen die Themen Klima und Nachhaltigkeit zwar ins Zentrum der Macht vorgestoßen zu sein – doch wirkungsvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise blieben bislang aus. Die fortlaufende Pandemie und der Krieg in der Ukraine rücken die Notwendigkeit grundlegenden Umdenkens in den Hintergrund«, ist im Aufruf zum SDS-Kongress zu lesen.

Für die Organisator*innen steht fest, dass notwendige Veränderungen »nicht mit ein paar Reformen« zu erreichen seien. Stattdessen brauche es einen »System Change«, also einen Systemwechsel. Entsprechend trägt der Titel des Eröffnungspodiums eine recht kämpferisch-aktivistische Botschaft in sich: »Now or never: Socialism for Future«. Diskutieren werden die US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser, Organizerin Jane McAlevey, die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler und SDS-Geschäftsführer Jary Koch. Mit Organizing sind bestimmten Methoden der politischen Kampagnenarbeit gemeint, die auf Aktivierung und Selbstermächtigung benachteiligter Gruppen setzen. Auch viele weitere Veranstaltungen beschäftigen sich mit Klimapolitik: Politikwissenschaftler Raul Zelik referiert über »grünen Kapitalismus«, der Berliner Linke-Politiker Ferat Koçak diskutiert mit Jessica Sommer vom SDS Leipzig und Dibia Tejiri Udushesheri von »BIPoCs for Future« über Zusammenhänge von Klimakrise und Rassismus.

Doch auch andere Themen werden besprochen, so die umstrittene Idee linker Montagsdemonstrationen. Weil der Montag seit den verschwörungsideologischen Mahnwachen von rechts besetzt ist, ist man sich uneins, ob man dagegen ankommen kann. Hierzu wird neben dem Rechtsextremismusexperten David Begrich auch der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann erwartet.

Transparenzhinweis: Das »nd« ist Medienpartnerin des Kongresses »System Change« in Leipzig.

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