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Auf königlichen Bahnen in Berlin

Die Champions League im Bahnradsport ist erstmals im Berliner Velodrom zu Gast. Wie läuft die Liga?

  • Thomas Juschus
  • Lesedauer: 6 Min.
Schwerer Start: Pauline Grabosch (r.) und Lea Sophie Friedrich (l.) sind in Berlin dabei, Titelverteidigerin Emma Hinze fehlt.
Schwerer Start: Pauline Grabosch (r.) und Lea Sophie Friedrich (l.) sind in Berlin dabei, Titelverteidigerin Emma Hinze fehlt.

Worum geht es?

Nach der WM 2020 in Berlin wurden die Weltcups im Bahnradsport vom Weltverband UCI abgeschafft und durch zwei neue Formate ersetzt: die Nation Cups und die UCI Track Champions League. In der Champions League gibt es am Saisonende vier Sieger, denn die Serie ist in einen Sprint- und einen Ausdauerbereich aufgeteilt – jeweils für Frauen und Männer. In den fünf Runden der Saison 2022 gibt es ein identisches Rennprogramm. In jedem Lauf können die Fahrerinnen und Fahrer Punkte sammeln, die Punktbesten sind die Gesamtsieger. »Wir begrüßen dieses Format und sehen eine riesengroße Chance, sich mittelfristig als fernsehtaugliche, emotionsgeladene Sportart zu etablieren«, sagt Martin Wolf, Generalsekretär im Bund Deutscher Radfahrer.

Wann und wo wird gefahren?

Auftakt der Saison war am 12. November in Palma de Mallorca. An diesem Samstag kommt die UCI Track Champions League erstmals nach Deutschland in das Berliner Velodrom. Danach zieht die Karawane am 26. November weiter nach St. Quentin-en-Yvelines – hier wurden Mitte Oktober die Weltmeister 2022 gekürt. Der Abschluss ist analog zu 2021 mit einer Doppelveranstaltung am 2. und 3. Dezember in London.

Welche Disziplinen sind im Programm?

Im Sprint werden der klassische Sprint und das Keirin gefahren. Die Wettbewerbsformate sind deutlich komprimierter als bei einer WM oder EM – es folgt quasi Lauf auf Lauf, zudem sind die Rennen kürzer. Auf eine normalerweise zähe Sprint-Qualifikation wird verzichtet. Auch das Scratch-Rennen ist für das TV weiter verdichtet und geht nur über 20 Runden (5 Kilometer), normalerweise fahren die Männer 15 und die Frauen 10 Kilometer. Zweite Disziplin im Ausdauerbereich ist das klassische Ausscheidungsfahren.

Wer sind die Stars der »Königsklasse«?

Olympiasieger, Welt- und Europameister: Viele Top-Fahrer und -Fahrerinnen sind auch in der zweiten Saison dabei. Herausragender Athlet bei den Männern ist der Niederländer Harrie Lavreysen. Der 25-Jährige ist der dominierende Sprinter der vergangenen Jahre, gewann zweimal Gold bei den Olympischen Spielen in Tokio und ist inzwischen elfmal Weltmeister. Bei den Frauen ist erstmals Laura Kenny dabei. Mit fünf Goldmedaillen bei Olympischen Spielen ist die Britin eine der erfolgreichsten Athletinnen im Radsport überhaupt. Insgesamt sind 72 Sportler (36 Frauen, 36 Männer) aus 25 Nationen am Start.

Wer sind die Titelverteidiger?

Im Ausdauerbereich sicherten sich 2021 Trophäe und Preisgeld Katie Archibald aus Großbritannien und Gavin Hoover aus den USA. Im Sprint der Männer setzte sich wie erwartet Harrie Lavreysen durch. Das Trio ist wieder dabei. Im Sprint der Frauen ging der Premieren-Erfolg an Emma Hinze aus Cottbus. Die Titelverteidigerin sagte ihre Teilnahme 2022 ab. »Mein Körper sagt mir, dass ich die Akkus wieder aufladen sollte. Jetzt ist die Zeit gekommen«, sagte Hinze. Die 25-Jährige will bis zur EM in der Schweiz eine Pause einlegen.

Wer ist aus Deutschland dabei?

Neben der Vorjahreszweiten Lea Sophie Friedrich ist erstmals Pauline Grabosch (beide Cottbus) im Sprint-Bereich der Frauen eingeladen. Friedrich, inzwischen siebenfache Weltmeisterin, ist nach ihrem starken WM-Auftritt eine der Top-Favoritinnen auf den Gesamtsieg und legte einen guten Start auf Mallorca hin. Ihr Debüt gibt auch Lea Lin Teutenberg aus Köln im Ausdauerbereich. Im Sprint der Männer ist Stefan Bötticher am Start. Der Chemnitzer überzeugte 2021 vor allem im Keirin und belegte bei der Premiere den zweiten Platz. Im Ausdauerbereich Männer bekam der Berliner Moritz Malcharek eine Einladung. Seine Fahrkarte war die Silbermedaille bei der Europameisterschaft in München im Scratch.

Wie hoch sind die Preisgelder?

500 000 Euro an Preisgeld werden ausgeschüttet. Die Sieger der vier Kategorien erhalten jeweils 25 000 Euro. Ein Laufsieg wird beispielsweise mit weiteren 1000 Euro honoriert. Emma Hinze als erste Champions-League-Siegerin Sprint fuhr so in der vergangenen Saison 31 050 Euro an Preisgeld ein. Zum Vergleich: Für den Sieg im Sprint-Turnier bei der EM in München gab es nur 670 Euro vom europäischen Verband UEC.

Welchen Stellenwert hat der Wettbewerb?

Neben den für den Bahnradsport hohen Preisgeldern überzeugt die neue Serie des Weltverbandes mit zwei weiteren Punkten. Alle Teilnehmer erhalten Punkte für die Ranglisten der UCI und sind damit schon so gut wie sicher für die nächste Weltmeisterschaft im August 2023 in Glasgow qualifiziert. Dank einer auf acht Jahre angelegten Partnerschaft der UCI mit dem Medienriesen Discovery Sports, der »Mutter« des Sportkanals Eurosport, sowie einer umfassenden Social-Media-Strategie hat die UCI Track Champions League in ihrer ersten Saison eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Alle Rennen werden live und frei empfangbar im TV übertragen.

Was sind die Kritikpunkte an der Serie?

Diskutiert wird der Termin. Die Serie liegt kurz nach dem eigentlichen Saisonhöhepunkt im Bahnradsport, der Weltmeisterschaft. Aufgrund der Rennen im November fehlen in diesem Jahr im Ausdauerbereich nahezu komplett Profis aus der World-Tour – die müssen sich bereits auf die nächste Straßensaison vorbereiten. Viele der Sprinterinnen und Sprinter haben nach der WM Urlaub gemacht und reisen nicht in Top-Form an. Gerade im Ausdauerbereich wird auch das Format diskutiert. »Wenn man Pech hat, fährt man sich länger warm als man Wettkampf hat«, kritisiert Doppel-Weltmeister Roger Kluge aus Ludwigsfelde. Die Veranstalter haben auf die Kritik reagiert und ein Punktefahren außerhalb der Champions-League-Wertung zusätzlich ins Rennprogramm genommen.

Was sagen die Athletinnen und Athleten?

»Die Stimmung bei meiner Premiere in Palma de Mallorca war total cool. Es ist ein bisschen wie bei den Sixdays: einfach lockerer und entspannter«, sagt Teutenberg. Die WM-Vierte im Ausscheidungsfahren kam direkt aus ihrer Saisonpause. »Für mich ist es nicht so schlecht, dass die Rennen etwas kürzer sind und die Belastung nicht so hoch ist. Ich bin schon in der Vorbereitung für meine nächste Straßensaison«, so die 23-Jährige. Bötticher genießt es und ist dankbar für die Plattform, die der Bahnradsport erhält: »Natürlich ist es ein kompletter Unterschied zu anderen Wettbewerben. Hier sind immer nur 20 oder 25 Minuten Zeit zwischen den Rennen. Das macht den Wettbewerb aber auch wieder spannend.« Für die Vorjahres-Zweite Friedrich ist es »einfach eine geile Show«.

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