Boomerschutz gegen Altersdiskriminierung

Niedrigsteuer auf Mon Chéri und Straffreiheit – das wünscht sich Andreas Koristka für seine alten Tage

Früher war alles besser. Wenn ein älterer Herr die Bahn betrat, standen wir Kinder artig auf und boten unseren Platz an, während wir unauffällig das Portemonnaie aus seiner Handgelenktasche entwendeten. Diese Zeiten sind leider vorbei. Alte Menschen werden diskriminiert, man gibt ihnen Widerworte im Internet und verhöhnt sie, wenn sie bei Maischberger oder Lanz auftreten.

Dass die Lage immer schlimmer wird, bestätigt nun die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie hat Schockierendes herausgefunden: 51 Prozent der Bevölkerung sind der Ansicht, dass es eine Altersgrenze für politische Ämter geben sollte, die bei 70 Jahren liegen könnte. Wenn man bedenkt, dass Friedrich Merz schon 67 Jahre alt ist und dennoch über die geistige Frische eines 17-jährigen JU-Mitglieds verfügt, wird einem bewusst, wie unsinnig diese Forderung ist.

Andreas Koristka (Print)
Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka

Ageismus ist der Fachbegriff für jedwede Diskriminierung aus Altersgründen. Weil Deutschland die wichtigsten Diskriminierungen ausgelöscht hat, kann man sich nun der Bekämpfung dieses Phänomens widmen. Dabei betrifft Altersdiskriminierung nicht nur alte Menschen. Jeden Tag wird Kindern verboten, nach dem Zähneputzen zu naschen, nur weil sie noch keine 18 Jahre alt sind. 50-jährige Männer werden schallend ausgelacht, weil sie sich eine Harley-Davidson gekauft haben; Frauen über 20 werden von Lothar Matthäus verlassen.

So kann es nicht weitergehen. Deshalb soll nach dem Willen der Antidiskriminierungsbeauftragten das Lebensalter ins Grundgesetz aufgenommen werden. Gute Idee! Wir müssen von der Vorstellung abrücken, dass Diskriminierung nur Randgruppen wie Ausländer betrifft. Selbstverständlich haben auch wir Deutschen das Recht, uns diskriminiert zu fühlen! Denn auch wir werden täglich ausgegrenzt, benachteiligt und erniedrigt! Zugegeben, es ist nicht schön, wenn man in Deutschland keine Wohnung mieten kann, weil man einen türkischen Namen trägt. Aber der eigentliche Skandal ist doch, dass man dicke Deutsche gängelt, indem man die Armlehnen im Flugzeug nicht abschraubt!

Nicht nur die Dicken, alle werden diskriminiert: die Hässlichen, die Schlauen, die Dummen, die Jungen, die Ungeimpften … Und Leute wie ich müssen sich beschimpfen lassen, nur weil sie der kleinen Gruppe von Menschen angehören, die an der Theke im Supermarkt gerne alle Backwaren anlecken. Aus dieser Erfahrung kann ich den Schmerz der Altersdiskriminierten nur allzu gut nachvollziehen. Auch ich werde irgendwann alt sein und ich möchte nicht, dass man mir dann feindselig gegenübertritt, wenn ich nach alter Männer Sitte die Kinder im Hof von meinem Fenster aus ankeife, weil sie zu laut spielen.

Bis dahin haben wir noch genügend Zeit, gegen Altersdiskriminierung vorzugehen. Gemeinsam müssen wir verhindern, dass das Alter weiter unsere Gesellschaft spaltet. Ein 40-jähriger Investmentbanker verdient schon heute viel mehr als eine 60-jährige Friseurin. Nur weil er so jung ist! Als erste Maßnahme brauchen wir ein Boomerschutzgesetz, das alten Menschen Straffreiheit garantiert, wenn sie Klimakleber von der Straße zerren. Dann sollte die Steuer auf Mon Chéri und Weinbrandbohnen drastisch gesenkt werden. Schließlich müssen Schutzräume eingerichtet werden, in denen alte Menschen ungestört leben können. Viele Gebäude in Bad Kissingen würden sich dafür anbieten, aber auch Görlitz hat ein gewisses Potenzial. Vielleicht wird man in diesen Orten schon bald unbeschwertes Rentnerlachen hören.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal