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Fußball überleben
Ein Kampf dauert zwei Minuten: »Kurzer Roman über Hooligan Til« von Ralph Hammerthaler
Die verdammte Fußball-WM der Männer ist vorbei, jetzt geht die Bundesliga wieder los. Was ist schlimmer, moralisch gesehen? Antwort: beides ist schlimmer, denn die Unterhaltungsindustrie hat gar keine Moral. Die Fans aber denken, es käme noch auf etwas an. Doch »du kannst nicht einfach so tun, als wärste dabei«, sagt Til, eine Romanfigur von Ralph Hammerthaler. Til ist Hooligan und Ende 30.
Er hat zu tun mit »unaufschiebbarer Konfrontation«, den ewigen Durst und Kokain, mit Gewalt und Leute umhauen, Aufpassen und den Fußball überleben. Er ist kein Nazi und kein Rassist, aber auf alle Fälle rechts. Doch das spielt im Stadion nicht so die Rolle. Til ist für den MSV Duisburg, bei dem er in der A-Jugend mal Torwart war, »überdurchschnittlich stand in der Zeitung, unverzichtbar«. Doch die Profis riefen ihn nicht, er wurde zweiter Torwart in der Verbandsliga, das war nicht das, wovon er geträumt hatte. Und dann Bezirksliga, Kreisliga A und doch lieber Techno und Lehre bei Thyssen. Im Nebenberuf Türsteher, in der Freizeit im Boxklub, wo er Hooligans kennenlernt, mit denen er in die Kämpfe zieht, die werden nach den Fußballspielen angeboten.
So eine »dritte Halbzeit«, verabredet und Mann gegen Mann, der eine Verein gegen den anderen, aber in Formation, dauert unter zwei Minuten. Wenn man gewinnt, ist die Euphorie für Til »unbeschreiblich, mit nichts zu vergleichen, keiner Droge, keinen Sex. Ein ungebremster Ausstoß von Adrenalin.« Um dann Montags wieder im Logistikzentrum zu arbeiten. Der Höhepunkt im Buch ist eine mehrtägige Auseinandersetzung auf Mallorca, in die er und seine Freunde reinschliddern. Hools als Touris gegen die Straßenhändler, durchaus lebensgefährlich, weil außer Kontrolle. Ein Showdown wie im Western oder im Mafiafilm. Das ist dann doch zu hart. Es geht auch gegen Rocker und andere Gangs, ebenfalls lebensgefährlich. Aber auch für den Mann, der Til absticht. Der muss die Stadt verlassen, geht nicht anders.
Die Polizei spielt eigentlich keine Rolle, aber die Liebe natürlich schon: Sie heißt Silja. »Til nahm sie überallhin mit, in einem Jahr wurde sie mit so vielen Leuten bekannt wie in den dreißig Jahren zuvor nicht. Dabei wusste sie, dass sie keinen gewöhnlichen Mann an ihrer Seite hatte, aber hätte sie einen gewöhnlichen gewollt?« Der Schriftsteller Hammerthaler schreibt auch nicht gewöhnlich, sondern direkt, herzlich und sehr gut. Aus den Aufregungen abgezapft und lakonisch her erzählt. Hammerthaler sagt, er habe mit Fußball nichts am Hut, aber er hat alle diese Leute kennengelernt. Sie heißen bei ihm Oh Oh Olli, Thai Eddie und Asbach.
Man kann nicht sagen, das wäre autofiktional. Das hat Hemingway ja auch nicht von sich behauptet, oder? Und Til sagt: »Ohne Quatschen lief bei Frauen nichts, keine, die sich nach einer Dumpfbacke sehnte.« Und dann wird auch noch geheiratet, große Sache. Denn er hat überlebt. Location: »Die Kneipe gab nicht vor, mehr zu sein, als sie war, alles aus altem Holz«. Wie Til.
Ralph Hammerthaler: Kurzer Roman über Hooligan Til. Quintus, 119 S., geb., 20 €.
Lesung am heutigen Donnerstag in Berlin um 20 Uhr, Lettrètage im Acud, Veteranenstraße 21
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