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Union Berlin feiert ohne Isco und einen Fußballgott

Die Köpenicker greifen nach dem Viertelfinaleinzug im DFB Pokal nach der Tabellenführung in der Bundesliga

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 4 Min.
Feuchtfröhliche Feier: Unions Team tanzt nach dem Sieg gegen Wolfsburg.
Feuchtfröhliche Feier: Unions Team tanzt nach dem Sieg gegen Wolfsburg.

Die Fans des 1. FC Union Berlin riefen nach dem Fußballgott Urs Fischer. Doch der Trainer zog es nach dem 2:1-Erfolg im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg lieber vor, rasch die Kabine aufzusuchen. Vielleicht wollte Fischer einfach nur weg, weil der Regen direkt nach dem Abpfiff noch mal alle Arbeiter im Innenraum richtig nass machte. Möglicherweise musste er nach der spannenden Partie auch erst mal bei einer Zigarette Dampf ablassen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er wie fast immer das Feiern lieber seiner Mannschaft überlassen wollte. Nur äußerst selten steht der Schweizer freiwillig im Mittelpunkt.

Die Fußballer hatten am späten Dienstagabend trotz der Nässe ihren Spaß, sogar getanzt wurde. Union ist mit dem Sieg schließlich weiterhin in drei Wettbewerben am Start. Im Vorjahr standen die Köpenicker im Pokal-Halbfinale, in dem der spätere Pokalsieger aus Leipzig das Stoppzeichen setzte. Nun ist immerhin schon wieder das Viertelfinale erreicht.

Nicht ganz so nach Jubeln war Jerome Roussillon. Der gerade erst aus Wolfsburg verpflichtete Verteidiger traf kurz vor Abpfiff bei einer Großchance nicht ins leere Tor, sondern den zurückgeeilten VfL-Abwehrmann Micky van de Ven auf der Linie. Dafür wurde der Franzose wenige Sekunden nach Spielende sofort vom gesamten Team getröstet. Und dann bekam Roussillon noch mal einen Ball hingelegt, den er unter dem Jubel seiner Mitspieler und der Fans in die Maschen setzte. »Er ist der erste Spieler, der nach so einen Fehlschuss vor der Kurve von uns gefeiert wird. Das spricht ein Stück weit auch für unsere Mannschaft«, sagte Mittelfeldmann Rani Khedira.

Roussillon gehört zu den drei Winterverpflichtungen der Eisernen. Zudem wurden noch Verteidiger Josip Juranovic und Mittelfeldspieler Aissa Laidouni geholt, die gegen Wolfsburg ebenso zum Einsatz kamen. Juranovic, der Robin Knoche den Treffer zum 1:1-Ausgleich in der zwölften Minute mit einer tollen Hereingabe aufgelegt hatte, kam von Celtic Glasgow. Im Dezember kam er mit Kroatien bei der WM in Katar auf Platz drei. Laidouni spielte zuletzt für Ferencvaros Budapest. Auch er war bei der Weltmeisterschaft dabei – mit Tunesien.

Für beide Spieler musste Union zusammen rund zehn Millionen Euro Ablöse zahlen. Das zeigt, dass sich Union im oberen Drittel der Bundesliga halten will. Allerdings gab es mit Julian Ryerson, der nun im Dortmunder Trikot spielt, auch einen überraschenden und schmerzhaften Verlust. Fast wäre noch ein internationaler Star nach Köpenick gekommen. Seit dem Wochenende kreiste der Name Isco durch den Union-Kosmos. Der frühere Spieler von Real Madrid, der fünfmal die Champions League gewann und 38 Länderspiele für Spanien bestritt, kickte zuletzt für den FC Sevilla. Dort war der 30-Jährige aber nicht mehr zurechtgekommen, im Dezember wurde sein Vertrag aufgelöst.

Am Montag vermeldete der Pay-TV-Sender Sky den Wechsel zu Union bereits als fix. Am Dienstagvormittag absolvierte der Offensivmann tatsächlich an der Berliner Charité den üblichen Medizincheck. Es gibt Fotos, die Isco zusammen mit Vereinsmitarbeitern von Union zeigen. Doch am Nachmittag wartete ein halbes Dutzend Medienvertreter vergeblich auf die Ankunft des Spaniers im Stadion An der Alten Försterei. Zwischenzeitlich war durchgesickert, dass der Transfer geplatzt ist. Beide Parteien gaben an, dass Abmachungen nicht eingehalten worden seien. »Wir hätten Isco gerne bei uns gesehen, aber wir haben unsere Grenzen. Diese wurden entgegen der vorherigen Vereinbarung überschritten, deshalb kommt der Transfer nicht zustande«, sagte Unions Manager Oliver Ruhnert.

Isco flog am Dienstagabend mit einer Privatmaschine wieder nach Spanien. Für Union begann danach noch das Pokalspiel gegen Wolfsburg. Tuschelthema Nummer eins: Das Wechseltheater – und das nicht nur auf den Rängen. »Optimal war die Vorbereitung auf ein solch wichtiges Spiel wirklich nicht. Ob zu Beginn der Einfluss des Isco-Transfers eine Rolle mitgespielt hat, weiß ich nicht«, sagte Fischer angesichts der schnellen Wolfsburger 1:0-Führung durch Luca Waldschmidt nach fünf Minuten.

Letztlich konnte die Mannschaft auch das vierte Pflichtspiel des Jahres verdient durch den Siegtreffer von Kevin Behrens in der 79. Minute noch gewinnen. Zum dritten Mal in diesem Jahr wurde ein Rückstand gedreht. »Wir haben am Morgen erfahren, dass Isco tatsächlich kommt – und am Mittag, dass er nicht kommt«, berichtete Khedira. »Es war ein ereignisreicher Tag. Es wäre eine geile Geschichte gewesen. Trotzdem haben wir eine geile Mannschaft.«

Und die kann am kommenden Sonnabend beim Heimspiel gegen den FSV Mainz ohne Isco mal wieder Tabellenführer der Bundesliga werden, weil Spitzenreiter Bayern München erst am Sonntag in Wolfsburg spielt.

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