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Resilienzforschungszentrum und Klassenfahrtziel

Nur einer kann es bekommen: Das Zukunftszentrum Deutsche Einheit geht an Halle

  • Jana Frielinghaus, Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie hatte vielerorts in Ostdeutschland Hoffnungen und Begehrlichkeiten geweckt, und so hatten sich insgesamt sieben Einzelstädte und Verbünde als Standort für eine vom Bund finanzierte neue Sehenswürdigkeit beworben. Ende 2020 hatte die Kommission »30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit« in ihrem Abschlussbericht im Jubiläumsjahr unter anderem die Einrichtung eines »Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation« empfohlen. Im Juli 2022 wurde der entsprechende Standortwettbewerb eröffnet. Der ist seit dem späten Dienstagabend entschieden: Halle an der Saale soll das Zentrum bekommen.

Die 22-köpfige Kommission unter Leitung von Brandenburgs früherem Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) hatte festgestellt, dass es im Zuge des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik zu Verwerfungen gekommen ist – und dass die enormen Anpassungsleistungen, die die Ostdeutschen dabei vollbracht haben beziehungsweise zu erbringen gezwungen waren, stärker gewürdigt werden müssten. Seither versucht die herrschende Politik weiter den Spagat zwischen dieser Würdigung einerseits und dem Dogma vom »Unrechtsstaat« DDR beziehungsweise »zweiter deutscher Diktatur« andererseits hinzubekommen. Auf der Beibehaltung von letzterem bestehen Kommissions- und Jury-Mitglieder sowie alle Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene bis hin zu den Linke-Politikern, die sich für das Zentrum in ihren Regionen stark gemacht hatten.

Das Zentrum soll nun unter anderem jene Leistungen der Ostdeutschen darstellen. Andererseits sollen die von ihnen millionenfach gemachten Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit und existenzieller Verunsicherung und die dabei gewonnene Krisenresilienz erforscht – und für künftige »Umbrüche und Krisen« nutzbar gemacht werden. Zwar harren gerade aktuell viele verschiedene Krisen ihrer Bewältigung, aber vermutlich werden einige davon auch 2028, im geplanten Jahr der Inbetriebnahme des Zentrums also, noch existieren. Zugleich dürfte die Einrichtung ein Klassenfahrtziel erster Güte werden. Irgendwie wird man schließlich auf die erwartete eine Million jährlicher Besucher kommen wollen, die das Zentrum »anziehen« soll.

Kehrseite des in Halle herrschenden Jubels ist die Katerstimmung bei den anderen Bewerbern. In der Endrunde bei der Auswahl waren neben der Stadt in Sachsen-Anhalt noch Leipzig und Plauen in Sachsen, Frankfurt (Oder) in Brandenburg, Eisenach sowie sowie Jena, Mühlhausen und Sonneberg in Thüringen gemeinsam gewesen.

Insbesondere Frankfurt (Oder) hatte sich gute Chancen ausgerechnet. Oberbürgermeister René Wilke beklagte, die Niederlage seiner Stadt sei »unverdient«. Mit der in Osteuropa vernetzten Europa-Universität Viadrina, einem symbolträchtigen Baufeld direkt an der östlichen Staatsgrenze, und einer großen Beteiligung der Einwohner wäre sie ein hervorragender Standort gewesen», sagte der Linke-Politiker. Das Filetgrundstück an der Stadtbrücke nach Polen solle nun anders «angemessen, würdig und belebend» bebaut werden. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte, die Kampagne «Stadt der Brückenbauer» habe mit ihrem Enthusiasmus «sehr viele Menschen angesteckt». Das sei «schon ein Wert an sich».

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