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Gegen blinden Aktivismus

Wajdi Mouawad untersagt Textänderungen bei seinem Theaterstück

Niemand geht gerne ins Theater, um sich zu langweilen. Am schönsten ist es, wenn es einen Bühnenskandal gibt. Zumindest zu einem Skandal en minature kam es im vergangenen Herbst am Metropoltheater München. Jüdische Studierendenverbände protestierten dort gegen eine Inszenierung, der sie Antisemitismus unterstellten. Die Aktivisten fanden bald prominente Unterstützer; das Theater nahm das Stück vom Spielplan. Es handelt sich um das Drama »Vögel« des Autors Wajdi Mouawad.

Mouawad, 1968 im Libanon geboren, wanderte als junger Mann nach Frankreich, später nach Kanada aus. In Quebec ließ er sich zum Schauspieler ausbilden, ehe er mit dem Schreiben für die Bühne begann. Heute zählt er international zu den bekanntesten Gegenwartsdramatikern. Das Drama »Verbrennungen«, unter dem Titel »Die Frau die singt – Incendies« erfolgreich verfilmt und auch in Deutschland häufig gespielt, bedeutete seinen Durchbruch. Seit 2016 lebt Mouawad in Paris, wo er ein Theater leitet.

Auch Mouawads Stück »Vögel« war bereits an zahlreichen Theatern weltweit zu sehen. Und es birgt das, was ein Drama, das auf der Bühne funktionieren soll, braucht: ausreichend Konfliktpotenzial. Ein deutscher Jude und eine US-Amerikanerin arabischer Herkunft verlieben sich ineinander. Wie schwer die Bürde der eigenen Wurzeln wiegt, wird offenbar, als Ersterer bei einem Terroranschlag in Israel verletzt wird. Dem Stück Antisemitismus vorzuwerfen, ist ein Leichtes – man muss nur den Fehler machen, die Figuren mit ihrem Autor zu verwechseln. Das Drama spiegelt die Realität, in der Antisemitismus nicht Theorie ist, sondern tatsächlich vorkommt.

Hatte das Metropoltheater zunächst die Inszenierung verschwinden lassen, sollte das Spektakel in zurechtgestutzter Fassung nun wiederaufgenommen werden. Die Rechnung hat man ohne Mouawad gemacht, der – mit untrüglichem Gespür für große Auftritte – die Aufführung seines Stücks in zensierter Form untersagt hat.

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