Tesla-Werk zum Mars schießen

Umweltschützer protestieren gegen Ausbau der Autofabrik in Grünheide

Es sei eine der niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands und es habe bereits Probleme mit der Trinkwasserversorgung gegeben, bevor der US-Konzern Tesla seine Autofabrik in Grünheide gebaut habe, berichtet Steffen Schorcht von der Grünen Liga Brandenburg. Durch Zuzüge in den Berliner Speckgürtel sei der Bedarf stetig gestiegen und der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) habe die für seine Wasserwerke genehmigte Fördermenge zwei Mal überschritten und dafür Bußgelder zahlen müssen.

In Rekordzeit hochgezogen und am 22. März vergangenen Jahres ausgerechnet am Weltwassertag eröffnet, produziert die Tesla-Fabrik leistungsstarke, sehr viel Energie fressende Elektroautos. Das einjährige Bestehen der umstrittenen Fabrik und den Weltwassertag nehmen Umweltverbände am Dienstag zum Anlass, ihre Kritik am geplanten Ausbau zu formulieren. Sie haben dazu ins Berliner Frauencafé »Begine« geladen. Männer haben hier normalerweise keinen Zutritt. Für diesen Termin gibt es eine Ausnahme.

Kürzlich beantragte der US-Konzern, die Kapazitäten in Grünheide von 500 000 Fahrzeugen im Jahr auf eine Million zu erhöhen. In seiner Salamitaktik wäre das nicht der letzte Schritt, erinnert Schorcht, der selbst einen Kilometer von der Fabrik entfernt lebt. Es wäre dann immer noch eine dritte Ausbaustufe offen. Der WSE habe Tesla die Belieferung mit jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser vertraglich zugesichert, erinnert Schorcht. Die Behauptung, die zweite Ausbaustufe werde kein zusätzliches Wasser verbrauchen, hält er für wenig glaubhaft. »Das ist nur vorgeschoben.«

Tesla vertraue anscheinend auf die Zusicherung von Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (beide SPD), für das Wasserproblem bis zum Sommer irgendeine Lösung zu finden. Ein Ministerpräsident und ein Wirtschaftsminister, die so etwas versprechen, müssten zurücktreten, findet Manu Hoyer vom Verein für Natur und Landschaftspflege in Brandenburg. Sie könnten die Ansiedlung nicht mehr objektiv beurteilen.

Hoyer wohnt neun Kilometer von der Fabrik entfernt und lässt einen »Zeitstrahl des Grauens« an die Wand werfen. Festgehalten ist, welche Störfälle sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren beim Bau der Fabrik und nach ihrer Eröffnung ereignet haben. Die Betankung von Baufahrzeugen mitten im Wasserschutzgebiet ist da beispielsweise angeführt. Von Lachen mit Dieselkraftstoff im Wald ist die Rede. Es sei allerdings nicht bewiesen, dass Tesla dafür verantwortlich gewesen sei. Dann wären da noch ausgelaufene Chemikalien aus der Lackiererei, ein illegales Gefahrstofflager, eine nicht genehmigte Recyclinganlage, in der es dann auch noch brannte – und, und, und. Doch Rechtsanwalt Thorsten Deppner sagt dazu: »Was bis jetzt passiert ist, sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was passieren könnte.« Deppner vertritt den Naturschutzbund und die Grüne Liga im noch anhängigen Widerspruchsverfahren gegen die Genehmigung der Tesla-Fabrik. Weist das Landesumweltamt den Widerspruch der Naturschützer zurück, könnten diese dagegen klagen.

Tesla und das Land Brandenburg hatten Neuland betreten. Um die Fabrik trotz der in Deutschland bestehenden bürokratischen Hürden in atemberaubendem Tempo hochzuziehen, baute der Konzern seine Hallen und Anlagen mit insgesamt 19 vorläufigen Zulassungen. Tesla-Boss Elon Musk ging das Risiko ein, die endgültige Genehmigung dann doch nicht zu erhalten. Das hätte bedeutet, dass alle bis dahin errichteten Gebäude auf eigene Kosten wieder hätten abgerissen werden müssen. Das ist ein einmaliger Vorgang. Deppner hat aber nicht nur das nie zuvor erlebt. Der von ihm formulierte Widerspruch ist auch nur vorläufiger Natur, weil er hofft, noch mehr Unterlagen zu erhalten. »Es ist das erste Mal, dass ich einen Genehmigungsbescheid vorgelegt bekommen habe, der teilweise geschwärzt war – und das an Stellen, wo es um die Wurst ging.« So sei unkenntlich gewesen, welche gefährlichen Stoffe wo aufbewahrt werden. Juristisch angreifen will Deppner unter anderem das Rammen von Pfählen in die Erde. »Diese Genehmigung ist alles andere als bestandskräftig«, ist der Anwalt überzeugt.

Naturschützerin Hoyer sagt: »Diese Fabrik steht auf Tausenden von Pfählen, die reingerammt oder gebohrt worden sind, obwohl das im Wasserschutzgebiet eigentlich verboten ist.« Zwei Drittel des Fabrikgeländes befinden sich nach Angaben der Grünen Liga im Wasserschutzgebiet, die bislang errichteten Fabrikgebäude liegen komplett dort.

Im Einkaufszentrum Mall of Berlin kleben Gruppen wie die Kohlegegner von »Ende Gelände« und die Interventionistische Linke am Dienstag Plakate. »Driving For A Dead Planet« (Fahren für einen toten Planeten), steht auf diesen. »Keinen Liter Wasser mehr für Tesla«, lautet die Forderung. »Um Brandenburgs und Berlins Wasser zu retten, müssen Produktion und Ausbau des Werks gestoppt werden.«

Ganz ähnlich klingt es auch im Frauencafé »Begine«. Dort verlangt Christiane Schröder vom Naturschutzbund: »Klare Grenzen setzen für die Gigafactory!« Zwar scheint der für die Raumfahrt begeisterte Tesla-Boss Elon Musk keine Grenzen zu kennen. Doch Schröder schüttelt den Kopf: »Herr Musk kann vielleicht zum Mars fliegen, aber auch da ist das Wasser begrenztSeite 9

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