Besorgnis wegen Gas-Bohrungen bei Borkum

Niederlande genehmigen Gasförderung. Umwelthilfe erhebt Einwendung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Vorhaben war seit dem Frühjahr vergangenen Jahres bekannt. Experten hatten 2017 zwischen dem niedersächsischen Borkum und der Insel Schiermonnikoog, die zu den Niederlanden gehört, ein unterirdisches Gasfeld entdeckt. Niedersachsen hielt sich mit Wünschen nach Förderung des Energieträgers zunächst zurück, zumal das damals regierende Bündnis von SPD und CDU aus Sorgen um die Umwelt im Koalitionsvertrag ein mögliches Bohrverbot in geschützten Gebieten erwogen hatte.

Doch dann wuchsen die Befürchtungen, Präsident Wladimir Putin könne den Gashahn der Leitung in Richtung Deutschland zudrehen. Und so entschied die maßgebliche Politik in Hannover: Um einen Beitrag zur Unabhängigkeit der Bundesrepublik von Lieferungen aus Russland zu leisten, werde Niedersachsen dem Ausbeuten des etwa 20 Kilometer vor Borkum liegenden Gasfeldes durch das niederländische Unternehmen One Dyas nicht widersprechen. Ende April 2022 einigten sich daraufhin Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und der Vorstandschef der Firma im Nachbarland, Chris de Ruyter van Steveninck, auf Details zum Bohrprojekt

Widerspruch erfährt dieses Vorhaben inzwischen von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Sie hat der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), eine entsprechende Einwendung gegen das Projekt zukommen lassen. Die Niederlande haben das Vorhaben bereits gestattet, zu dem auch eine für das Bohren notwendige Plattform und eine Pipeline gehören. Das zu fördernde Erdgas, so ist geplant, soll je zur Hälfte in die Niederlande und nach Deutschland fließen. Mindestens 60 Milliarden Kubikmeter Gas werden aus dem künftigen Bohrfeld in der Nähe des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer erwartet.

Die unmittelbare Nähe der Bohranlagen zu jenem Unesco-Weltnaturerbe sowie zu mehreren Natura-2000-Gebieten macht Umweltschützern große Sorgen. Die Erdgasförderung in diesem empfindlichen Ökosystem würde den Erhalt der biologischen Vielfalt gefährden und den Klimazielen widersprechen, gibt die DUH zu bedenken. Außerdem leisteten die geringen jährlichen Fördermengen keinen Beitrag zur Energiesicherheit, vielmehr drohten CO2-Emissionen bis zu 65 Millionen Tonnen, wenn One Dyas seine neuen Förderpläne umsetze, warnt die DUH.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner mahnt: Neben der fahrlässigen Gefährdung empfindlicher Lebensräume in der Nordsee drohten eine beständige Einleitung von stark belastetem Produktionswasser und die Zerstörung eines Riffs durch die Bohrarbeiten. »Die Bodenabsenkungen und Erdbeben aufgrund der Erdgasförderung könnten außerdem die Süßwasserlinse als Trinkwasserversorgung der Nordseeinsel Borkum schädigen. Wir fordern das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie auf, den Gasförderungsantrag abzulehnen«, so Müller-Kraenner.

Constantin Zerger, Leiter des DUH-Bereichs Energie und Klimaschutz, ergänzt: Die Pläne von One Dyas stünden im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen. Zur Rechtfertigung berufe sich der Konzern auf eine Gasmangellage, die derzeit, so Zerger, aber nicht vorhanden sei. Zudem solle das erste Gas erst nach 2024 gefördert werden. Die geplante Genehmigung bis 2042 würde die notwendige Energiewende behindern und passe nicht zu den Zielen der neuen rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen, die eine Treibhausgasneutralität bis 2040 anstrebe. Darüber hinaus nehme One Dyas eine hohe Havariewahrscheinlichkeit der Plattform »und damit ein verheerendes Umweltdesaster« leichtfertig in Kauf. Diese Gefährdung für Mensch und Umwelt dürfe das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie auf keinen Fall hinnehmen, betont der DUH-Experte.

Bereits im Juli vergangenen Jahres hatten die DUH, die niederländische Umweltorganisation Mobilisation for the Environment und die Bürgerinitiative »Saubere Luft Ostfriesland« auf niederländischer Seite gemeinsam gegen die dort schon erteilte Genehmigung Klage eingereicht. Diese ist weiter anhängig. Auch auf deutscher Seite kündigten die Organisationen bereits rechtliche Schritte an, sollte das Landesamt wider Erwarten doch zugunsten der Gasförderung entscheiden.

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