Israels Regierung verschiebt Justizumbau

Nach der Entlassung des Verteidigungsministers sind wieder Zehntausende auf den Straßen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein paar kritische Äußerungen reichten Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, um seinen Verteidigungsminister Joav Galant am Sonntag in die Wüste zu schicken. Galant, Parteifreund und bislang enger Vertrauter Netanjahus, war von dem umstrittenen Vorhaben der ultrarechten Regierungskoalition abgerückt, die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen. Er hatte eine Unterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens gefordert, warnte, dass die Spaltung der Bevölkerung in dieser Frage zu einer »wirklichen Bedrohung für die Sicherheit Israels« werden könne. Das war zu viel für Netanjahu, er entließ Joav Galant.

Zu viel war für Tausende Israelis die Entlassung des Verteidigungsministers. Noch in der Nacht zum Montag gingen zehntausende Demonstranten in Tel Aviv und anderen Städten des Landes auf die Straße, darunter in Haifa im Norden und in Beer Scheva im Süden. In Jerusalem versammelten sich Demonstrierende vor der Residenz Netanjahus. Die größte Gewerkschaft des Landes rief am Montag zu einem Generalstreik auf. Netanjahu wollte sich am Montag äußern, wann genau, stand jedoch bis Redaktionsschluss nicht fest. Medien spekulierten, er wolle das höchst umstrittene Gesetzesvorhaben stoppen.

Nun soll es tatsächlich eine Verschnaufpause geben: Israels Polizeiminister Itamar Ben Gvir hat eine Verschiebung der umstrittenen Justizreform der rechts-religiösen Regierung in Israel angekündigt. Er habe sich mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf eine Verschiebung bis nach der Pause des Parlaments Ende Juli verständigt, teilte ein Sprecher am Montag mit.

Präsident Jitzchak Herzog hatte nach den spontanen nächtlichen Protesten die Regierung erneut zu einem »sofortigen Stopp« des Gesetzgebungsverfahrens aufgefordert und an Netanjahu appelliert: »Um der Einheit des israelischen Volkes und der notwendigen Verantwortung willen fordere ich Sie auf, den Gesetzgebungsprozess sofort zu stoppen.«

Wirtschaftsminister Nir Barkat forderte die Minister auf Twitter auf, »sich hinter den Ministerpräsidenten zu stellen und ihn bei der Aussetzung der Gesetzgebung zu unterstützen«. Der als Architekt der Reform geltende Justizminister Jariv Levin erklärte, er werde »jede Entscheidung akzeptieren, die Ministerpräident Netanjahu in Bezug auf das Gesetz trifft«.

Dagegen hat der Chef der ultrarechten Partei Otzma Jehudit laut Medienberichten damit gedroht, die Regierungskoalition platzen zu lassen, sollte das Gesetzesvorhaben auf Eis gelegt werden. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich rief sogar zu Gegenprotesten auf. »Kommt nach Jerusalem. (…) Wir sind die Mehrheit, lasst uns unsere Stimme erheben. Wir lassen uns unsere Stimme und den Staat nicht stehlen«, sagte Smotrich am Montag in einem auf Twitter verbreiteten Video. Die Pläne dürften nicht gestoppt werden. Mit Agenturen

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -