Küstenwache schießt scharf

Libyen und Italien nehmen Seenotretter mit EU-Mitteln in die Zange

Die Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Sea-Watch haben der libyschen Küstenwache vorgeworfen, am Samstag durch das Abfeuern von Schüssen in die Luft die Rettung von Dutzenden Menschen in Seenot verhindert zu haben. Die Besatzung des Rettungsschiffes »Ocean Viking« sei mit Schusswaffen bedroht und anschließend 80 Menschen in Seenot in internationalen Gewässern »brutal« abgefangen worden.

Sea Watch beobachtete den Seenotfall von einem zivilen Überwachungsflugzeug aus und veröffentlichte ein Video davon im Kurzbotschaftendienst Twitter. Demnach fielen zwischenzeitig Menschen von Bord des überfüllten Schlauchbootes. Beide Hilfsorganisationen kritisierten das Vorgehen der libyschen Küstenwache vor allem vor dem Hintergrund, dass diese von den EU-Mitgliedsstaaten finanziert, ausgerüstet und ausgebildet werde. »Völkerrechtsbruch und Gewalt – im Auftrag und bezahlt von der EU«, kritisierte Sea-Watch auf Twitter.

Derzeit machen sich trotz der hochgefährlichen Überfahrt sehr viele Menschen über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa. Allein am vergangenen Wochenende kamen nach italienischen Angaben 5573 Menschen an den dortigen Küsten an. Seit Anfang Januar wurden nach offiziellen Zahlen bereits knapp 27 000 Bootsmigranten registriert – weit mehr als vier mal so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (6543). Oft sind weder die Küstenwache aus Italien oder Malta noch zivile Seenotretter an der Ankunft beteiligt, viele der Boote erreichen die italienischen Küsten autonom.

Unterdessen wird das Schiff »Louise Michel« nach der Rettung von insgesamt 180 Menschen von italienischen Behörden im Hafen der Insel Lampedusa festgehalten. Die Besatzung hatte zuvor 180 Menschen von mehreren Booten gerettet. Die seit Oktober amtierende ultrarechte italienische Regierung unter Giorgia Meloni hatte im Dezember ein Dekret erlassen, das die Arbeit der Seenotretter einschränken soll. Es verpflichtet Seenotretter dazu, jeweils nur eine Rettungsaktion pro Einsatz auszuführen. Dagegen soll die vom Streetart-Künstler Banksy finanzierte »Louise Michel« verstoßen haben. »Wir wissen, dass in diesem Moment Dutzende von Booten vor der Insel in Seenot sind, aber wir werden daran gehindert, ihnen zu helfen. Das ist inakzeptabel«, schrieb die Crew auf Twitter.

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