Dachstuhlbrand in Neukölln: Ende einer Odyssee

Ein Neuköllner Mieter kann Monate nach einem Brand in seine Wohnung zurückkehren

Albtraum ohne Ende: Am 18. Oktober vergangenen Jahres brennt der Dachstuhl eines Mietshauses in der Nogatstraße in Neukölln
Albtraum ohne Ende: Am 18. Oktober vergangenen Jahres brennt der Dachstuhl eines Mietshauses in der Nogatstraße in Neukölln

Innerhalb von wenigen Stunden änderte sich für die Bewohner eines Mietshauses in der Nogatstraße in Neukölln alles: Aus unbekannten Gründen entzündete sich am 18. Oktober des vergangenen Jahres der Dachstuhl. Die Bewohner konnten sich nur mit dem Nötigsten am Leib nach draußen retten, verletzt wurde niemand. »Ich kam gerade von der Uni zurück und musste es von draußen mitansehen«, sagt ein Mieter. Nach zwei Stunden konnte die Feuerwehr das Feuer löschen.

Doch das war erst der Anfang eines Albtraums, der nicht enden will. Unmittelbar nach dem Brand wurde der Zugang zu dem Haus gesperrt, die Sanierungsarbeiten dauern bis heute an. »Das Vorderhaus muss komplett entkernt werden, auch in den Seitenflügeln sind Reparaturen notwendig«, sagt ein Vertreter der Hausverwaltung EB Immo, die das Haus im Auftrag einer Hamburger Kapitalgesellschaft verwaltet. Bewohner erhoben bereits kurz nach dem Brand Vorwürfe, dass der Zugang zum Dach nicht genügend gesichert gewesen sei. Viele konnten erst nach Monaten ihre Sachen aus der Wohnung holen, es gibt Berichte von Einbrüchen.

Weil die Mieter das Haus seit mehr als einem halben Jahr nicht betreten können, hat nun R., ein Bewohner, darauf geklagt, seine Wohnung im Seitenflügel wieder beziehen zu dürfen. Das Verfahren am Dienstag beginnt mit einem Einwand des Eigentümer-Anwalts: Die Sanierung dauere weiter an, das Gebäude gleiche einer »Großbaustelle«. Aktuell gebe es weder Strom noch Heizung, auch keine Müllabfuhr. »Wir wissen selbst nicht, wann ein sicherer Einzug wieder möglich sein wird«, so der Anwalt.

Für R. ist das keine gute Nachricht. Bis zum Brand bewohnte er mit seiner Partnerin eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss des Seitenflügels. Nach dem Brand seien sie zunächst in einem Hotel untergekommen, die letzten Monate haben sie auf der Couch eines Bekannten verbracht. Die Unsicherheit und der Stress belasteten ihn, ein ganzes Semester habe er bereits verloren, so der Student. 

Auf eine Entschädigung durch den Vermieter wartet er noch immer. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass die Versicherung des Vermieters für 100 Tage 100 Euro pro Tag an Unterkunftskosten tragen muss, danach muss der Vermieter die Unterbringungskosten in voller Höhe tragen. Auf entsprechende Forderungen reagiere die Hausverwaltung aber nicht. »Einige Mieter haben inzwischen eine Entschädigung erhalten, aber das ist nur ein Teil«, sagt R.

Im Verlauf des Prozesses wachsen die Zweifel an der ursprünglichen Darstellung der Hausverwaltung. Im Februar hatte R. gemeinsam mit einem Sachverständigen das Haus besichtigt. Schäden an R.s Wohnung hätten sie nicht feststellen können, auch in den darüberliegenden Stockwerken gebe es keine sichtbaren Beschädigungen. Auch der Bauleiter habe bestätigt, dass die Wohnung unbeschädigt sei, sagt der Sachverständige K., Inhaber einer Baufirma, im Zeugenstand. Heizung und Strom seien aber weiter abgeschaltet, habe der Bauleiter mitgeteilt. »Ich habe ihm gesagt, dass man das dann eben anmachen muss, dann geht das«, sagt K. Er habe selbst schon eine Brandsanierung verantwortet, dort hätten die Bewohner nach drei Monaten in das Haus zurückkehren können. »Wenn man das will, dann geht das«, sagt er.

Auch C., der Bauprojektmanager der Hausverwaltung, bestätigt auf Nachfrage der Richterin, dass die Wohnung unbeschädigt sei. Das heiße aber nicht, dass sie unmittelbar bezogen werden könne. Durch das Treppenhaus würde gesundheitsschädlicher Brandschutt transportiert werden müssen, der dann mit anderen Baumaterialien im Innenhof gelagert werde. »Es herrschen innerstädtische Verhältnisse, es gibt kaum Platz«, sagt er. Zudem müsse noch ein verkleideter Durchgang gebaut werden, damit keine Gefahr durch die Arbeiten an der Fassade bestünde. »Aktuell können wir keinen Zugang gewährleisten«, so C.

Für Mieter R. geht der Tag aber erfolgreich aus. Die Richterin schlägt vor, dass R. nach Abschluss der Aufräumarbeiten im Mai und noch während der laufenden weiteren Sanierungen wieder einziehen kann. Im Gegenzug soll er sich verpflichten, auf baubedingte Mietminderungen zu verzichten. Dass Heizung und Strom für seine Wohnung separat wieder angestellt werden können, war zuvor geklärt worden. R. stimmt dem Vergleich sofort zu, der Anwalt der Gegenseite stimmt nach kurzem Überlegen ebenfalls zu, allerdings mit der Einschränkung, dem Eigentümer noch eine Woche lang eine Widerspruchsfrist einzuräumen.

Für R. ist es das vorläufige Ende einer monatelangen Odyssee. »Ein Einzug im Mai ist zwar spät, aber immerhin eine fixe Zusage«, sagt er nach dem Prozess. Er hofft, dass sich auch andere Mieter nun ermutigt fühlen. Dabei denkt er auch an einen vergleichbaren Fall. Im Februar gab es in der Amsterdamer Straße in Wedding ebenfalls einen Dachbrand, auch diese Immobilie wird von der EB Immo verwaltet. Auch dort ziehen sich die Sanierungsarbeiten hin und die Bewohner warten auf Entschädigungen. Viele von den dort Betroffenen sind daher auch am Dienstag zum Prozess gekommen.

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