Kamikazedrohnen bei der Bundeswehr im Anflug

Heer testet nächstes Jahr drei verschiedene Modelle aus Israel

Bereits im Angriffskrieg auf Berg-Karabach soll Aserbaidschan massenhaft Kamikazedrohnen eingesetzt haben, den Durchbruch auf dem Schlachtfeld erzielten die tödlichen Waffen jedoch auf beiden Seiten im Ukraine-Krieg. Dort sollen sie zeitweise entscheidend zum Kriegsverlauf beigetragen haben. Jetzt bereitet auch die Bundeswehr eine Beschaffung vor. Noch dieses Jahr soll dazu eine Studie zur Erstellung einer »Forschungs- und Technologie-Roadmap« fertig gestellt werden. Das erfuhr der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko nach mehreren parlamentarischen Anfragen von der Bundesregierung.

Beim Militär firmieren die Drohnen als »herumlungernde Munition«. Sie können je nach Ausführung bis zu einer Stunde über feindlichem Gebiet kreisen und auf einen günstigen Moment für den Angriff warten. Das Ziel kann bei manchen Modellen selbständig verfolgt werden. Bei dem Einschlag wird das komplette System zerstört. Deshalb ist unter Experten umstritten, ob es sich dabei tatsächlich um Drohnen oder vielmehr intelligente, leichte Artilleriemunition handelt. Sie vereinen die Vorteile beider Waffensysteme.

»Zum ersten Mal gibt die Bundesregierung zu, sich ernsthaft mit dieser hoch gefährlichen Waffengattung zu beschäftigen«, sagt der Fragesteller Hunko zum »nd«. Die Pläne zur Beschaffung der Kamikazedrohnen gehen noch auf die schwarz-rote Bundesregierung und das damals CDU-geführte Verteidigungsministerium zurück. Bereits 2021 hatte der damalige Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn (CSU) die Pläne für eine »Roadmap« für das Heer angekündigt. Zuständig dafür ist das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Manching. Auftragnehmer der Studie zu »herumlungernder Munition« ist die Firma AMDC GmbH, die dafür zunächst die marktverfügbaren Systeme sondiert hat.

Vor vier Wochen präzisierte der Staatssekretär Thomas Hitschler (SPD) die geplante Beschaffung. Demnach hat AMDC im Auftrag der Bundeswehr drei Systeme unterschiedlicher Hersteller »zur weiteren Begutachtung« bestellt. Sie stammen von Rafael Advanced Defense Systems, Israel Aerospace Industries (IAI) sowie UVision Air und damit sämtlich von israelischen Firmen. Zu den Typen macht das Verteidigungsministerium keine Angaben. IAI baut den Starrflügler »Harop«, der auch vom Militär in Aserbaidschan eingesetzt wird. Uvision vertreibt verschiedene Modelle seiner »Hero«, bei der es sich um ein Geschoss mit vier Flügeln handelt, die sich nach dem Abschuss automatisch ausklappen. Rafael wiederum ist mit seinem System »FireFly« der einzige Anbieter, dessen »herumlungernde Munition« senkrecht starten kann.

Die bislang letzte Anfrage zu den Kamikazedrohnen stellte Hunko am Mittwoch in der Fragestunde des Bundestages. 2024 werden die drei aus Israel beschafften Modelle getestet, erfuhr der Abgeordnete dabei von der Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller (SPD). Anschließend entscheidet das Verteidigungsministerium über die endgültige Beschaffung. Zur Förderung der heimischen Industrie könnte der Zuschlag an Uvision gehen: Die Firma kooperiert mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall, der die herumlungernde »Hero« von seinen Flugdrohnen abwerfen oder von Drohnenpanzern starten lassen will.

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