Tanker in Jemen: Katastrophe mit jahrelanger Ansage

Vor der Küste des Jemen startet die Bergung eines vor sich hin rostenden, prallvollen Öltankers

Es könnte eine der bisher schlimmsten Öltankerkatastrophen werden und sie bahnt sich seit vielen Jahren an. Nun endlich beginnen die Versuche, das Schlimmste zu verhindern: Wie die UN-Entwicklungsagentur (UNDP) am Donnerstag mitteilte, startet die Mission zur Bergung von 1,14 Millionen Barrel Rohöl (à 159 Liter) aus dem schrottreifen Schiff »FSO Safer«. UNDP-Chef Achim Steiner sprach von einem »großen Schritt«.

Der 350 Meter lange Tanker rostet bereits seit dem Jahr 2015 neun Kilometer südwestlich der Küste des Jemen vor sich hin. Er ist randvoll mit Öl und diente zuvor als schwimmende Lagereinheit (engl. Floating Storage and Offloading Terminal, kurz FSO) für den Ölexport. Gebaut 1976 in Japan ist die »FSO Safer« ein Einhüllenschiff, das aktuellen Sicherheitsstandards nicht mehr entspricht. Sie ist seit 1986 im Besitz der staatlichen jemenitischen Ölgesellschaft. Nach Beginn des Bürgerkriegs besetzten Huthi-Rebellen den Tanker und verminten die Umgebung. Seither dient er nicht mehr dem Ölumschlag und wird auch nicht mehr gewartet. 2019 wurde erstmals von austretendem Öl berichtet. Die Gefahr, dass die »FSO Safer« auseinanderbrechen oder angesammeltes Gas im Tank explodieren könnte, wird als sehr groß eingeschätzt. UN-Inspektoren, die die Lage beurteilen wollten, wurde bisher jedoch der Zugang untersagt. Auch ein Abpumpen war nicht möglich.

Erst im Gefolge der Entspannung im Bürgerkrieg kam Bewegung in die Angelegenheit, und die Konfliktparteien tragen die Bergung mit. »Die technischen Experten haben heute morgen zum ersten Mal einen Fuß auf die ›Safer‹ gesetzt«, sagte UNDP-Chef Steiner der dpa in New York. In den kommenden sieben bis zehn Tagen solle ein von den Vereinten Nationen gekauftes zweites Schiff namens »Nautica« zum Tanker fahren, damit das Öl umgepumpt werden könne.

Als bisher verheerendste Tankerkatastrophe gilt die Havarie der »Exxon Valdez« 1989 vor Alaska. Das Schiff hatte ein Viertel der Menge geladen, die auf der »FSO Safer« lagert. Vor allem die UN-Umweltorganisation UNEP warnt seit Jahren vor einer verheerenden Ölpest vor den Küsten des Jemen, von der Fischbestände, Vogelpopulationen und Korallenriffe betroffen wären. Verseucht werden könnten aber auch Meerwasserentsalzungsanlagen, womit nach Expertenschätzungen die Trinkwasserversorgung von bis zu zehn Millionen Menschen gefährdet wäre. Das gilt auch für Nahrungsmittellieferungen über benachbarte Häfen. Zudem würde die Existenzgrundlage vieler Fischerfamilien zerstört werden. Auch eine der meistbefahrenen internationalen Schifffahrtsrouten zum Suez-Kanal könnte beeinträchtigt werden.

Doch nicht nur die Wirren des verheerenden Bürgerkriegs gefährdeten bisher die auf insgesamt knapp 150 Millionen Dollar veranschlagte Bergungsaktion. Auch das Einwerben von Finanzmitteln durch die UN gestaltete sich äußerst mühsam. Auch nach einer Geberkonferenz Anfang Mai fehlen noch Gelder, zumal sich der Kauf der »Nautica« wegen der im Zuge des aktuellen Ölbooms stark gestiegenen Preise für gebrauchte Tanker als teurer herausstellte als gedacht. Zahlreiche Länder wie die Niederlande, Deutschland, aber auch die USA und Saudi-Arabien beteiligen sich mit zweistelligen Millionensummen. Dass sich die weltweite Ölindustrie nicht an den Kosten beteilige, obwohl sie infolge des Ukraine-Krieges Rekordgewinne einfahre, kritisierte die Umweltorganisation Greenpeace: »Regierungen dürfen nicht länger zusehen, wie Ölkonzerne Profit aus der Zerstörung von Natur und Klima ziehen und jede Verantwortung dafür abgeben.«

Die Bergung soll wie folgt ablaufen: Zunächst werden bestimmte Gase in die Tanks gepumpt, die die Explosionsgefahr bannen sollen. Als Nächstes wird das Öl auf die »Nautica« umgeladen, bevor die Tanks der »FSO Safer« gereinigt werden und das Spülwasser mit einem weiteren Schiff abtransportiert und schließlich entsorgt wird. Schließlich wird das leere Wrack abtransportiert und verschrottet. Etwa ab dem 10. Juni soll das Umpumpen beginnen. Für die Vereinten Nationen, räumt Steiner ein, sei das Ganze »eine sehr ungewöhnliche, aber notwendige Aktion«.

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