Lindner bläst scharfer Ostwind ins Gesicht

Kürzungspläne des Finanzministers bei regionaler Wirtschaftsförderung stoßen auf Widerstand

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein finanzielles Füllhorn, das allseits mit viel Lob überschüttet wird. Vom »wichtigsten regionalpolitischen und zielgenauesten Förderprogramm zum Ausgleich regionaler wirtschaftlicher Unterschiede für Ostdeutschland« spricht Reinhard Meyer, SPD-Wirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Gemeint ist die Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« (GRW), die es seit 1969 gibt, von der nach 1990 aber vor allem die Ost-Bundesländer stark profitierten. Von dort gibt es jetzt Widerstand gegen Pläne des Bundes, das Füllhorn fast zur Hälfte zu leeren. Auf einem Treffen der Ost-Regierungschefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Donnerstag in Chemnitz dürfte das Thema für Streit sorgen.

Der Bund stellte zuletzt 650 Millionen Euro pro Jahr für das Förderprogramm zur Verfügung, mit dem Wirtschaftsansiedlungen und der Ausbau der Infrastruktur sowie von Bildung und Forschung unterstützt werden sollen. Die Länder legen noch einmal so viel oben drauf. Sie entscheiden auch, welche Firmen, Kommunen oder öffentlichen Einrichtungen unterstützt werden. Für 2024 will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Mittel auf 350 Millionen Euro zusammenstreichen. Samt Länderanteil wären das 600 Millionen weniger.

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Das Vorhaben ruft massiven Protest hervor. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sagte am Dienstag, die Fördermittel seien »existenziell« für den Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Entfielen sie, sei »eine wesentliche Voraussetzung zum Gelingen der Transformation genommen«. Das müsse »auch der Kanzler verstehen«. Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) sprach von einem »erneuten Schlag in die Magengrube«. Durch die geplante Kürzung werde »die Ungleichheit erheblich verstärkt«, sagte er: »Das zahlt bei der AfD ein.« In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden 2024 neue Landtage gewählt; die AfD hat Chancen, stärkste Partei zu werden.

Unmut gibt es auch in der Bundesregierung. Michael Kellner (Grüne), aus Brandenburg stammender Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sprach von einem »Angriff gegen den ländlichen Raum und strukturschwache Regionen«. Diesen hilft das Programm nach Einschätzung des Ministeriums sehr effizient, wenn es darum geht, »Standortnachteile bei Investitionen auszugleichen und Anreize zur Schaffung von Einkommen und Beschäftigung zu setzen«. Seit den 1970er-Jahren hätten Bund und Länder zusammen 79 Milliarden Euro an GRW-Förderung ausgezahlt. Dadurch seien Investitionen von 380 Milliarden Euro ausgelöst und 4,8 Millionen Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert worden. Wissenschaftliche Studien belegten, dass sich die Beschäftigungs- und Einkommenssituation in den geförderten Regionen verbessert habe.

Im laufenden Jahr wurde das Programm einem größeren Umbau unterzogen. Unter anderem soll ab sofort mehr Augenmerk auf regionale Wertschöpfungsketten gelegt werden. Auch Nachhaltigkeit spielt eine größere Rolle. So erhält die Sanierung vorhandener Industrieflächen Vorrang vor der Erschließung von neuen. Die Verbesserung der regionalen Daseinsvorsorge kann ab sofort ebenfalls gefördert werden. Allerdings gebe es auch einen Wermutstropfen bei der aktuellen Reform, merkt der Schweriner Wirtschaftsminister Meyer an. Schon im laufenden Jahr sei der Topf um 20 Prozent gekürzt worden, obwohl SPD, Grüne und FDP in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag eine »Dynamisierung« der Mittel versprochen hätten.

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