Klimaprotest: Banken, Konzerne und Reiche im Visier

Aktivisten wenden sich gegen Verursacher der Klimakatastrophe. Bürgerrechtler solidarisieren sich

Die Letzte Generation setzt offenbar konsequent ihr Vorhaben um, Verursacher und Profiteure der Klimakrise an den Pranger zu stellen. Diese Woche stand im Zeichen entsprechender Aktionen. So besprühten Mitglieder der Gruppe am Donnerstagmorgen eine Filiale der Deutschen Bank in Chemnitz mit Farbe. Man sei empört darüber, dass das Geldinstitut noch immer Milliarden in die »fossile Industrie« stecke, erklärte die Gruppe. Auf einem Banner forderten die an der Aktion Beteiligten erneut die Einberufung eines Gesellschaftsrats, um wirksame und sozial gerechte Mechanismen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen zu entwickeln.

»Obwohl der internationalen Gemeinschaft klar ist, dass ein Auslösen der Klimakipppunkte uns in eine tödliche globale Heißzeit stoßen wird, steigen die Emissionen ungebremst weiter«, erklärte die Gruppe am Donnerstag. Juliane Schmidt, die sich an der Aktion in Chemnitz beteiligte, betonte: »Ein Drittel der Menschheit wird die Bereiche der Erde, die unbewohnbar werden, entweder verlassen müssen oder dort vom Tode bedroht.« Der Lebensraum der Menschen und unzähliger anderer Lebewesen werde »zerstört, verursacht durch eine fossile Wirtschaft, unterstützt von fossilen Finanzmärkten«, erklärte die 26-Jährige.

Zuvor hatten sich Mitglieder der Letzten Generation ein Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Kolumbien in Gelsenkirchen für ihren Protest ausgesucht. Zwei junge Menschen liefen am Dienstagabend auf das deutsche Tor zu. Sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift »Stoppt den fossilen Wahnsinn!«. Insgesamt waren vier Personen an der Aktion beteiligt, die von Ordnern des Deutschen Fußballbundes und der Polizei sehr schnell beendet wurde. Man habe das Spiel unterbrochen, weil »die Bundesregierung nach wie vor Kohle aus Kolumbien« importiere und verfeuern lasse, erklärte die Letzte Generation.

Weitere Ziele von Aktionen der Gruppe in den vergangenen sechs Tagen waren eine Yacht in Neustadt in Holstein, die mit Farbe besprüht wurde, der »Tag der deutschen Industrie« in Berlin und ein Kreuzfahrtschiff, das in Rostock zwei Stunden am Auslaufen aus dem Hafen gehindert wurde. Mit der Yachtaktion wollten die Aktivisten darauf aufmerksam machen, dass reiche Menschen mit ihrem Lebensstil ein Vielfaches mehr Kohlendioxid produzieren als Normalbürger.

Derweil intensiviert die Justiz insbesondere in Bayern, Brandenburg und Berlin ihre Maßnahmen zur Strafverfolgung der Klimaaktivisten. Hausdurchsuchungen, Präventivhaft und Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs (StGB) häufen sich.

Diese Vorgehensweise haben Bürgerrechtsorganisationen dieser Tage scharf kritisiert. Man sei »schockiert von den jüngsten Kriminalisierungsversuchen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Unterzeichnet ist sie von der Humanistischen Union, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen sowie dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung.

Die Verbände wenden sich vor allem gegen die Instrumentalisierung des Paragrafen 129. Er diene der »Ausforschung und Einschüchterung und der Kriminalisierung von politischer Aktivität«. Zugleich schlage die »öffentliche und medial verstärkte Wut« auf die »Klimakleber« immer häufiger in physische Gewalt gegen die Protestierenden um, konstatieren sie. Autofahrer schlügen auf Protestierende ein oder schleiften sie von der Straße, während die anwesende Polizei teilweise nicht eingreife. Auch Teile der gesellschaftlichen Linken, die die Straßenblockaden der Letzten Generation kritisch sehen, betonen die Notwendigkeit der Solidarität mit ihr.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) warnen unterdessen vor der Einrichtung von »Ausnahmegerichten« zur Strafverfolgung der Letzten Generation. In einer Erklärung vom Dienstag weisen die Vereine darauf hin, dass seit der vergangenen Woche ein neuer Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Tiergarten in Kraft sei, »der die Einrichtung neuer Stellen vorsieht, die für beschleunigte Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin zuständig sind«. Zugleich habe die Staatsanwaltschaft Berlin ihren Geschäftsverteilungsplan geändert und die Zuständigkeit für beschleunigte Verfahren an sich gezogen. Davon seien »derzeit ausschließlich Fälle von Straßenblockaden der Letzten Generation betroffen«.

Die Anwälte halten die Änderungen für »verfassungsrechtlich bedenklich«. Die strafrechtliche Beurteilung von Blockaden eigne sich »grundsätzlich nicht« für beschleunigte Verfahren. Es dränge sich der Eindruck auf, »dass bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation geschaffen wurde«. Mithin gehe es offenbar »allein um ein politisches Signal in der ohnehin von Populismus geprägten Debatte«. »Ausnahmegerichte« seien »auch aus rechtshistorischen Gründen unzulässig«, mahnen die Juristen.

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