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Berlin-Neukölln: Einbürgerung nicht barrierefrei

Neuköllner mit Sehbehinderung kann nicht am Einbürgerungstest teilnehmen

Ein Problem, welches eigentlich gar keins sein sollte, löste jüngst Empörung im Bezirk Neukölln aus: Ein Mensch mit Sehbehinderung kann weder am Einbürgerungstest teilnehmen noch sich davon befreien lassen – und ist so von der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen. Es gibt nämlich keine barrierefreien Einbürgerungstests, und die bezirkliche Staatsangehörigkeitsstelle ist vor der geplanten Zentralisierung im Landesamt für Einwanderung kaum für eine Befreiung vom Test erreichbar. In Neukölln geriet das nun Luis Sanz Jardon wegen seiner Sehbehinderung zum Problem.

»Wir hatten gehofft, dass sich das Problem mit einer einfachen Anweisung an die Volkshochschulen lösen lässt oder mit einem Aushang mit Infos, wie man sich vom Einbürgerungstest befreien lassen kann«, sagt Carla Aßmann, Vorsitzende der Neuköllner Linksfraktion, zu »nd«. Sie hatte sich in der Bezirksverordnetenversammlung erkundigt, nachdem Betroffene ihr von dem Problem berichtet hatten.

Sanz Jardon ist froh über die Antwort. Seinen Einbürgerungsantrag hat er schließlich schon vor anderthalb Jahren gestellt. Grundsätzlich versteht er jedoch nicht, warum es für ihn keine Möglichkeit gibt, den Test zu machen. »Ich finde es gar nicht gut, dass es keine barrierefreien Tests gibt. Es könnte so aussehen, als hätte ich einfach keine Lust, den Test zu machen. Aber barrierefreie Tests gibt es eigentlich schon lange, auch an der Volkshochschule«, sagt er zu »nd«.

Der Fall in Neukölln zeigt neben der mangelnden Barrierefreiheit noch ein anderes Problem: Die bezirkliche Staatsangehörigkeitsbehörde ist schlecht erreichbar. Das liegt daran, dass ab 2024 die Zuständigkeit für Einbürgerungsverfahren nicht mehr bei den Bezirken, sondern beim Landesamt für Einwanderung liegt. »Da ist jetzt schon niemand mehr erreichbar«, sagt Aßmann.

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Das habe auch das Bezirksamt während der Bezirksverordnetenversammlung zugegeben, und Bürgermeister Martin Hikel (SPD) habe erklärt, dass dort Stellen nicht mehr besetzt seien. Neue Einbürgerungsanträge könne man in Neukölln wegen des Wechsels schon jetzt nicht mehr stellen.

»Wir finden, dass es grundsätzlich ein Skandal ist, dass gerade keine Einbürgerungsanträge möglich sind«, so Aßmann. Sie bezweifelt, dass die zentralisierte Landesstelle ab Januar 2024 reibungslos den vollen Betrieb aufnehmen kann. »Wenn der Übergang jetzt, ein halbes Jahr vorher, schon so schlecht organisiert ist, dann habe ich da wenig Vertrauen«, sagt die Politikerin.

Der Integrationsbeauftragten des Landes sei nicht bekannt, dass die bezirklichen Behörden nicht erreichbar seien, sagt deren Sprecherin gegenüber »nd«. »Diese können allerdings nicht immer umgehend reagieren.« Es sei auch nicht so, dass die Bezirke grundsätzlich keine neuen Anträge mehr annähmen. In der Zeit des Übergangs zur zentralisierten Landesstelle aber »priorisieren die Bezirke dergestalt, dass die möglichst abschließende Bearbeitung von Bestandsverfahren Vorrang vor der Bearbeitung von Neuanträgen hat«.

Bis Redaktionsschluss liegen dem »nd« keine Antworten auf entsprechende Anfragen an das Berzirksams Neukölln, die bezirklichen Integrationsbeauftragten und die Senatsinnenverwaltung vor.

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