Berlin: Gleicher Lohn für Persönliche Assistenz

Abgeordnetenhaus sichert Arbeitgebermodell für Assistenzen von Menschen mit Behinderung ab

Menschen mit Behinderungen müssen in Berlin immer wieder für Selbstbestimmung demonstrieren.
Menschen mit Behinderungen müssen in Berlin immer wieder für Selbstbestimmung demonstrieren.

Auf eine lange Auseinandersetzung folgt endlich ein Beschluss der Abgeordneten: Die gleiche Entlohnung von Persönlichen Assistenzen von Menschen mit Behinderung im Arbeitgeber*innenmodell (AGM) und von bei Assistenzdiensten beschäftigten Fachkräften wird als verbindliche Erläuterung in das Berliner Haushaltsgesetz aufgenommen. »Wir sind gerade noch im Abgeordnetenhaus und feiern«, sagt Jasper Dombrowski zu »nd«. Dombrowski hatte zusammen mit anderen Arbeitgeber*innen mit Behinderung die Debatte im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch verfolgt.

Zuletzt drohte aufgrund der Kürzungen im Senatsentwurf des Haushaltsplans eine deutlich geringere Bezahlung der Assistenzen im AGM. Doch dieses Modell wird von vielen Menschen mit Behinderung, die auf eine Assistenz angewiesen sind, bevorzugt. Denn es erlaubt ihnen, ihre Fachkräfte als Arbeitgeber*in selbst anzustellen. Wenn sie aber nicht denselben Lohn zahlen wie die Assistenzdienste, dann finden sie keine Arbeitskräfte, das AGM funktioniert nicht mehr und Menschen mit Behinderung verlieren ein Stück Selbstbestimmung, so die Befürchtung der Arbeitgeber*innen. Selbst das Land würde dadurch Geld verlieren, weil eine flächendeckende Inanspruchnahme der Assistenzdienste noch mehr kostet als die selbstständige Beschäftigung, das sagte auch Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD).

Wenn der Beschluss der Abgeordneten nun umgesetzt wird, dann ist dieses Szenario zunächst vom Tisch. Entsprechend gut ist die Stimmung unter den Arbeitgeber*innen und den Assistenzen im Abgeordnetenhaus, sagt Dombrowski. Doch die Skepsis vor leeren Worten bleibt. »Es muss jetzt geschaut werden, ob den Worten auch Taten folgen.«

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Die Tat, die jetzt schnellstmöglich folgen muss: Eine neue fachliche Weisung der Senatssozialverwaltung an das Landesamt für Gesundheit und Soziales, welche für die Bewilligung der Anträge der Arbeitgeber*innen auf Bezahlung ihrer Assistenzen zuständig ist. Das sieht auch Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) so. Vor den Abgeordneten sagt er, man erarbeite eine neue Weisung »zeitnah« und gehe davon aus, dass sie bis Ende des Jahres vorliege. Wie lange ein darauf folgender Klärungsprozess noch dauern könnte, kann er allerdings nicht sagen.

Für die Arbeitgeber*innen ist das alles knapp bemessen, es geht schließlich darum, welche Löhne sie im Januar 2026 zahlen können. »Wir werden die Arbeit der Senatsverwaltung genau beobachten«, sagt Dombrowski. Er hofft sehr, dass die Weisung noch in diesem Jahr herausgegeben wird. »Die letzten sechs Jahre haben gezeigt, dass die Politik viel redet und dann doch nichts macht.«

Auch Assistenzkraft Anke freut sich trotz einer Grundskepsis. »Es überwiegt die optimistische Stimmung. Wir gehen jetzt davon aus, dass das so durchgeht, wie es beschlossen wurde«, sagt Anke zu »nd«. Dass Staatssekretär Bozkurt vor den Abgeordneten von einer Refinanzierung in Höhe der Entgeltgruppe 5 der aktuell geltenden Tariflöhne bei den Assistenzdienstleistern gesprochen hat, stimmt Anke zuversichtlich, auch wenn Bozkurt ebenfalls sagt, es gebe unter den Assistenzdiensten unterschiedliche Tarifverträge. »Die Tarifverträge bei den Diensten sind weitestgehend deckungsgleich. Wenn wir das auch bekommen, sind wir zufrieden«, sagt Anke.

»Wir werden die Arbeit der Senatsverwaltung genau beobachten.«

Jasper Dombrowski
Arbeitgeber mit Behinderung

Anke hofft, dass die Fachliche Weisung nun schnell vorliegt, damit auch die Arbeitgeber*innen noch einen Blick darauf werfen können. Denn in vorhergehenden Weisungen habe nicht immer das gestanden, was zuvor als politischer Wille bekundet worden sei. »Wir müssen da ganz genau hinschauen«, sagt Anke.

Der Beschluss der Abgeordneten ist dennoch ein Erfolg für die Arbeitgeber*innen und die Assistenzen – für den sie hart gekämpft haben, etwa mit einer 24 Stunden langen Besetzung der Senatssozialverwaltung vor einem Monat. »Der Kampf für Selbstbestimmungsrechte hat Schwung bekommen durch die Besetzung. Das hat uns als kleine Bewegung gestärkt und auch sozial etwas gebracht«, sagt Anke. Geschafft ist damit längst nicht alles: »Es wird immer was zu kämpfen geben.«

Die Senatssozialverwaltung teilt auf Anfrage des »nd« mit, dass sie durch die nun beschlossene verbindliche Erläuterung dazu verpflichtet sei, »das Arbeitgebermodell gleich zu behandeln«. Anträge aus den Fraktionen von Linke und Grünen, die zusätzlich auch eine entsprechende Einplanung von mehr Mitteln im Haushalt für die Refinanzierung des Tarifvertrags vorsehen, wurden allerdings von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. Für die Sozialverwaltung heißt das: »Sofern diese Mittel tatsächlich am Ende des Jahres nicht ausreichend sind, muss über die Mehrbedarfe eine Einigung mit der Senatsfinanzverwaltung gefunden werden.«

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