Verdi kündigt Warnstreik bei Berliner AWO an

AWO-Beschäftigte verdienen deutlich weniger als Landesbeschäftigte

Ausstand bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO): Für den Mittwoch kommender Woche ruft Verdi die Beschäftigten bei dem SPD-nahen Sozialverband zum Warnstreik auf. Das erklärten Gewerkschaftsvertreter am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Betroffen sind zahlreiche Kindertagesstätten. Aber auch bei Einrichtungen der Jugend-, Sozial- und Behindertenhilfe sowie in Senioreneinrichtungen ist mit Einschränkungen zu rechnen.

Hintergrund ist eine tarifliche Auseinandersetzung bei dem Sozialverband. Beschäftigte bei AWO und anderen Trägern erhalten weniger Geld als ihre Kollegen, die bei landeseigenen Unternehmen arbeiten. Für letztere gilt der Tarifvertrag der Länder. Die Gehälter bei den freien Trägern liegen im Schnitt darunter, bei manchen Einrichtungen beträgt der Unterschied mehr als 20 Prozent. Im Gegensatz zum Land zahlen sie häufig auch keine Beiträge für eine Betriebsrente. Für die 2000 AWO-Beschäftigten will Verdi noch in diesem Jahr einen neuen Tarifvertrag erstreiten, bei der Paritätischen Tarifgemeinschaft, zu der Volkssolidarität und das Unionhilfswerk gehören, soll es 2025 ein neues Vertragswerk geben. Davon wären etwa 4000 Beschäftigte betroffen.

»Wir sind das soziale Rückgrat der Stadt«, sagte Verdi-Landesfachbereichsleitung Jana Seppelt. Gewürdigt werde das aber kaum. Dabei belaste die Inflation viele Kollegen. »Von den Mieten fange ich gar nicht erst an«, sagt sie. Für die AWO-Beschäftigten fordere Verdi daher 13,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 550 Euro mehr im Monat. »Basis muss der Tarifvertrag der Länder sein«, so Seppelt. »Das ist dieselbe Arbeit, das muss auch gleich bezahlt werden.«

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»Die Stimmung in den Einrichtungen ist explosiv«, berichtete Ivo Garbe, Verdi-Verhandlungsführer. Er hofft, dass der Warnstreik die AWO-Geschäftsführung bewegt, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Geschäftsführung hatte zunächst zwar ein Angebot gemacht, dann aber die weiteren Verhandlungen pausiert. Zwar seien von den Tarifverhandlungen bei AWO und der Paritätischen Tarifgemeinschaft nur 6000 der 100 000 Beschäftigten bei freien Trägern betroffen, aber Garbe geht davon aus, dass das Tarifergebnis eine »starke Signalwirkung« auch auf andere Träger haben werde.

Auch für die Beschäftigten ist die Ungleichbehandlung das größte Ärgernis. »Ich mache die gleiche Arbeit, aber kriege 600 Euro weniger«, sagt Peggy Reimann. Sie ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte der Volkssolidarität. Netto erhält die alleinerziehende Mutter zweier Kinder etwa 2200 Euro. Das reicht häufig nicht. »Es ist traurig, wenn man seinen Kindern sagen muss, dass Kino finanziell nicht möglich ist«, so Reimann.

Markus Galle, Pressesprecher der AWO Berlin, glaubt, dass Verdi den zweiten Schritt vor dem ersten macht. »Wir teilen zwar das Ziel einer Gleichstellung mit dem Tarifvertrag der Länder, aber wir können keine Versprechen machen, die wir wirtschaftlich nicht leisten können«, sagt er. Damit der Anschluss an die Landesbeschäftigten gelingen könne, brauche es eine üppigere finanzielle Ausstattung vom Senat. »Dafür sollten Geschäftsführung und Gewerkschaften gemeinsam kämpfen«, so Galle.

Die Tarifrunde habe man verlassen, weil man die Haushaltsverhandlungen im Abgeordnetenhaus abwarten wolle. Für einen verfrühten Tarifabschluss zeichnet er düstere Konsequenzen. Weil die AWO als Sozialverband nicht einfach seine Einnahmen erhöhen könne, drohten Kürzungen und im schlimmsten Fall Insolvenz. »Wir sind überrascht, dass Verdi schon jetzt das scharfe Schwert des Warnstreiks wählt«, sagt Galle. Für den Streiktag wolle man eine Notversorgung einrichten.

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