Nachhaltige Geldanlagen weiter auf Wachstumskurs

Finanzbranche reagiert auf Greenwashing-Vorwürfe anders als erhofft

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Nachhaltige Geldanlagen boomen. Was darunter verstanden wird, ist jedoch unterschiedlich.
Nachhaltige Geldanlagen boomen. Was darunter verstanden wird, ist jedoch unterschiedlich.

Nachhaltigkeit auch in der Geldanlage liegt im Trend. Davon ist Bernhard Engl vom Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) überzeugt. Er ist Vorstandsvorsitzender des FNG, das sich innerhalb von zwei Jahrzehnten als Fachverband für »grüne« Finanzprodukte im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Um 15 Prozent auf über 578 Milliarden Euro hätten nachhaltige Geldanlagen allein in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr zugelegt, berichtete Engl bei der Vorstellung des FNG-Marktberichts am Dienstag.

Zu den rund 230 Mitgliedern der Lobbyorganisation zählen vornehmlich Kapitalanlagegesellschaften, freie Finanzberater, Versicherungen und Banken. Ein Großteil davon sind herkömmliche Anbieter, die unter anderem auch nachhaltige Produkte verkaufen. Aber auch Institute, die auf Nachhaltigkeit spezialisiert sind, gehören dem Forum an.

Kritik an unklaren Regulierungen

Das positive Gesamtbild überrascht insofern, als die »Grüne-Geld-Branche« 2022 infolge von Börsenturbulenzen unter Wertverlusten sowie unter Greenwashing-Vorwürfen zu leiden hatte. Greenwashing meint, Produkte als umweltfreundlicher zu bewerben, als sie tatsächlich sind. Freilich teilen die Finanzdienstleister nicht jede Kritik. So wurden in einer Umfrage unter den FNG-Mitgliedern einseitige Medienberichte ebenso kritisiert wie das »fehlende Praxisverständnis« mancher Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Anbieter und Kritiker stören sich gleichmäßig an den ESG-Anlagen. Die englische Abkürzung ESG fasst die drei Bereiche Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) zusammen, die für Nachhaltigkeit relevant sind. Unter »S« fallen auch Löhne, Arbeitssicherheit und Menschenrechte. Kritisiert wird, dass die Umwelt zu stark in den Fokus gerückt werde, das Soziale jedoch zu wenig beachtet werde, wie Studienleiter Sebastian Füllgraf anmerkte.

Insgesamt ist die Finanzbranche vorsichtiger geworden. Zwar wurden mehr »grüne« Fonds aufgelegt, aber 97 Prozent sind sogenannte Artikel-8-Produkte, die von der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert werden. Deren Kriterien sind vergleichsweise schwach. So werden etwa lediglich Waffen, Korruption und Alkohol als Anlageziele abgelehnt. Härtere Regeln gelten für Artikel-9-Fonds. Diese machen jedoch nur noch drei Prozent aller Angebote aus. Selbst für diese Produkte beklagt die Branche – wie dies auch NGOs tun – »fehlende regulatorische Klarheit« durch die Bundesregierung und die Europäische Union sowie mangelhafte Daten. Dadurch seien Produkte und Anbieter schwer miteinander zu vergleichen. Für Verbraucher heißt dies, dass sie bei Interesse genau ins Kleingedruckte sehen müssen. Was wirklich »grün« ist, liegt somit zu großen Teilen im Auge des Betrachters.

Grüne Lippenbekenntnisse

In diese Kerbe schlägt auch die Bürgerbewegung Finanzwende. Drei Jahre nach ihrem Start bleibe die Klimaselbstverpflichtung von 16 deutschen Finanzdienstleistern weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Experten des Vereins haben dafür die bisherigen Fortschritte und Ziele analysiert. Das Ergebnis: »Die Selbstverpflichtung ist in dieser Form nur ein grünes Lippenbekenntnis, das sich nicht überprüfen lässt«, sagt Finanzwende-Expertin Magdalena Senn. »Verbindliche gemeinsame Ziele und deren ausreichende und transparente Umsetzung sucht man darin vergebens.« Schlechte Noten verteilen auch die NGOs Reclaim Finance, Urgewald, ReCommon, Sierra Club und The Sunrise Project, die die größten Vermögensverwalter in Europa und den USA analyisert haben. Deren Investitionsrichtlinien seien »nicht streng genug«, um im Einklang mit der Klimawissenschaft die Unterstützung für die Expansion fossiler Energien zu beenden. Dies gelte ebenfalls für deutsche Häuser wie DWS, Union Investment und den Allianz-Ableger Pimco.

Einige Finanzdienstleister wie die Deutsche Bank und Commerzbank halten ihren Kritikern entgegen, dass sie nicht sofort aus bestimmten Branchen aussteigen wollten und könnten. So gibt die Deutsche Bank in ihrem Nachhaltigkeitsbericht an, Kredite für Gas und Kohle im vergangenen Jahr um 20 beziehungsweise 18 Prozent zurückgefahren zu haben. Man wolle langjährige Kunden nicht verprellen, sondern mit ihnen zusammen die »grüne Transformation« gestalten. Ähnliches ist von weiteren Akteuren wie dem weltgrößten Rückversicherer Munich Re und Allianz zu hören.

Die von der Europäischen Kommission vor allem gegen Kritik aus Deutschland durchgesetzte sogenannte Taxonomie, die es erlaubt, Atomstrom und Erdgas als »grüne« Geldanlagen zu taxieren, und damit verbundene Offenlegungspflichten spielen im Alltagsgeschäft noch keine große Rolle. Dennoch dürften sich die meisten Anbieter nachhaltiger Produkte redlich bemühen. Mehr Verbraucher wollen Rendite mit gutem Gewissen. Industriekunden machen Druck, weil sie ihre CO2-Emissionen reduzieren müssen. Banken, Fonds und Versicherer fürchten einen geschäftsschädigenden Reputationsverlust, wenn sie nicht nachhaltig handeln. Zugleich bieten ihnen Energieeffizienz oder nachhaltige Technologien in Gebäuden, Verkehr und Industrie attraktive Investitionsmöglichkeiten. Der FNG-Marktbericht zeigt daher auch, dass die Anbieter »grüner« Finanzprodukte positiv in die Zukunft blicken können.

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