Reparieren ist teurer als wegwerfen und neu kaufen

Bündnis fordert bundesweiten Reparaturbonus, wie es ihn bereits in Österreich und Thüringen gibt

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Schnitt nutzen Europäer*innen ihr Smartphone drei Jahre, bevor sie das Gerät durch ein neues ersetzen. Laut einer Studie der Umweltorganisation European Environmental Bureau (EEB) könnten die europäischen Staaten mehr als zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen, wenn jedes dieser Handys nur ein Jahr länger genutzt würde. Denn der Abbau der für Smartphones benötigten Rohstoffe, Aluminium und Kobalt zum Beispiel, ist sehr energieintensiv. Für die Herstellung von Speicher- und Grafikchips werden große Mengen an Energie und Wasser benötigt. Allein in Deutschland fallen laut Bundesumweltministerium pro Jahr und pro Kopf 20 Kilogramm Elektroschrott an.

Kaputte Geräte zu reparieren statt wegzuwerfen und neu zu kaufen, wäre ein Schritt in Richtung weniger Verbrauch. Deshalb fordert der Runde Tisch Reparatur, ein Bündnis von über 20 Verbänden und Initiativen wie Deutscher Umwelthilfe und Naturschutzbund (Nabu), von der Bundesregierung einen Reparaturbonus. »Dass Elektrogeräte länger genutzt werden, schont das Klima und bedeutet weniger Menschenrechtsverletzungen«, sagt Julius Neu zu »nd«. Er ist Referent beim Netzwerk Inkota, das ebenfalls an dem Runden Tisch beteiligt ist und sich vor allem mit dem Rohstoffabbau im globalen Süden beschäftigt. Damit sind häufig Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen verbunden.

Daher hat das Bündnis eine Petition für einen bundesweiten Reparaturbonus nach österreichischem Vorbild gestartet. Im Nachbarland übernimmt der Staat 50 Prozent der Kosten für Reparaturen von elektronischen Geräten bis maximal 200 Euro. Genau wie in Thüringen, wo es ebenfalls einen Bonus gibt – hier bis zu 100 Euro je Reparatur –, sollte der bundesweit geforderte Bonus für kommerzielle Werkstätten genau wie für Repair Cafés gelten. »Das wäre angesichts der Inflation ja auch eine sozialpolitisch sinnvolle Entlastungsmaßnahme«, findet Neu.

Zudem belegt eine repräsentative Umfrage des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND) von März, dass 62 Prozent der Deutschen mehr Geräte reparieren lassen würden, wenn der Staat die Hälfte der Kosten übernähme. 65 Prozent der Teilnehmer*innen gaben an, dass ihnen eine Reparatur im Vergleich zum Neukauf zu teuer sei. Würden Reparaturen gefördert, würde das auch Werkstätten und damit die lokale Wirtschaft unterstützen, so ein weiteres Argument des Runden Tischs Reparatur.

Im Bundesumweltministerium, neben Finanz- und Justizministerium Adressat der Petition, hält man den Reparaturbonus in Thüringen zwar für »eine sehr erfolgreiche Initiative«, wie Sprecher Christopher Stolzenberg auf nd-Anfrage mitteilt. Um einen entsprechenden Bonus auf Bundesebene einzuführen, fehle jedoch das Geld. Nötig wären zwei Milliarden Euro, das entspreche fast dem gesamten Ministeriumshaushalt. Vorgesehen seien für Reparaturmaßnahmen im kommenden Bundeshaushaushalt 2024 gerade einmal fünf Millionen Euro. Daher »bestehen gegenwärtig keine Planungen, einen Reparaturbonus in die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie einzubeziehen«, so Stolzenberg. Ein Reparaturbonus nach österreichischem Vorbild ist bislang also nicht geplant.

Mit den vorhandenen Mitteln will das Ministerium von Steffi Lemke (Grüne) jedoch die Reparaturinfrastruktur stärken. Noch in diesem Jahr werde das Förderprogramm »Reparieren statt wegwerfen« auf den Weg gebracht, das unter anderem die Förderung von Repair Cafés über mehrere Jahre beinhalte. Damit würde zumindest eine zweite Forderung des Runden Tischs Reparatur erfüllt. Bis 2024 wolle das Ministerium schließlich ein Reparaturgesetz vorlegen, das die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparaturanleitungen sicherstelle.

Zur Finanzierung eines bundesweiten Reparaturbonus schlägt Julius Neu vor, die Hersteller selbst zur Kasse zu bitten, was auch insofern sinnvoll wäre, als dass sie unter diesen Umständen womöglich haltbarere Geräte auf den Markt brächten.

Schließlich verlangt die Petition von der Regierung, dass sie sich für ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur auf EU-Ebene einsetzt, das heißt, für reparaturfreundliche Geräte, Zugang zu Ersatzteilen und entsprechende Informationen für alle Verbraucher*innen. Ein Reparaturbonus könne nur der erste Schritt dorthin sein, findet Neu. Dafür setzt sich das Bundesumweltministerium laut Stolzenberg bereits ein. »Zentrale Punkte sind für uns hier ein echtes Recht auf Reparatur nach Ablauf der Gewährleistungsfrist.« Zurzeit stimme sich die Regierung zum Vorschlag »Right to Repair« der EU-Kommission ab, die parallel mit den Mitgliedsstaaten verhandle.

Zudem unterstütze Deutschland den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel. »Zukünftig soll ein Wettbewerbsverstoß vorliegen, wenn Waren als reparaturfähig präsentiert werden, obwohl sie es nicht sind«, erklärt der Ministeriumssprecher. Die Petition des Runden Tischs Reparatur wurde bislang von fast 3000 Menschen unterzeichnet, gesammelt wird noch bis Oktober. Bislang laufe es vielversprechend, findet Julius Neu.

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