»Itiotentreff« bei Frankfurter Polizei bald doch vor Gericht?

Generalstaatsanwaltschaft will rassistische und antisemitische Beamte nicht straflos davonkommen lassen

Die rechtsextreme Chatgruppe aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier sorgt weiter für Ärger.
Die rechtsextreme Chatgruppe aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier sorgt weiter für Ärger.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat das Landgericht aufgefordert, ein Hauptverfahren gegen Polizeibeamte des 1. Reviers in der Mainmetropole zu eröffnen. Dabei geht es um die Strafverfolgung rassistischer und antisemitischer Äußerungen in einer Chatgruppe namens »Itiotentreff« sowie weiteren Chats mit bis zu 28 Teilnehmern, von denen einige keine Polizisten sind. Das Gericht hatte zuvor entschieden, eine Anklage nicht zuzulassen. Über den Sachverhalt berichtete vergangene Woche zuerst die »FAZ«.

In ihrer Stellungnahme schreibt die Generalstaatsanwaltschaft, bei 83 der 101 angeklagten Taten seien strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet worden. Dies habe eine Prüfung durch Staatsanwälte der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen ergeben. Die Abteilung gehört ebenfalls zur Generalstaatsanwaltschaft und unterstützt die Ermittler bei Terrorismusverfahren und Völkerrechts-Straftaten. Außerdem soll sie Ermittlungen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität koordinieren.

Im Fall der rechten Chatgruppe hat die Zentralstelle laut »FAZ« 40 Ordner mit rund 12 000 Seiten eingehend geprüft haben. Die Generalstaatsanwaltschaft vertrete nun die Auffassung, dass ihre Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss des Landgerichts »überwiegend« Aussicht auf Erfolg habe.

Auf die Chatgruppe »Itiotentreff« stieß die Staatsanwaltschaft zufällig, als sie im Komplex »NSU 2.0« ermitteln ließ. Mit diesem Kürzel hatte der später zu sechs Jahren Haft verurteilte Alexander M. die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız mehrfach bedroht. Ein Fax, in dem auch der Tochter der Anwältin Gewalt angedroht wurde, enthielt persönliche Daten, die nachweislich im 1. Polizeirevier abgerufen worden waren.

Die »Frankfurter Rundschau« konnte offenbar die Postings des »Itiotentreffs« einsehen. Demnach wurden darin unter anderem Hitler-Bilder, Hakenkreuze und Verharmlosungen des Holocausts geteilt. Migranten, Homosexuelle, Juden, Muslime und Schwarze Menschen seien verächtlich gemacht worden. Mehrfach verhöhnt wurde auch der auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunkene kurdische Junge Alan Kurdi.

Nach Abschluss ihrer Ermittlungen zum »Itiotentreff« erhob die Staatsanwaltschaft vor einem Jahr Anklage gegen fünf Polizisten des Reviers sowie die Lebensgefährtin eines der Beamten. Ihnen wurde Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse, der Besitz sowie die Verbreitung pornografischer Schriften und Darstellungen von Gewalt vorgeworfen.

Das Landgericht Frankfurt lehnte im Februar 2023 die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Da es sich um geschlossene Chatgruppen gehandelt habe, die klein und exklusiv gewesen seien, fehle das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens der strafwürdigen Inhalte. Dieses Verbreiten im strafrechtlichen Sinn liege erst vor, wenn der adressierte Personenkreis »für den Täter nicht mehr kontrollierbar« sei. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft sofort Beschwerde ein.

Über die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft muss nun der zuständige Senat des Oberlandesgerichts entscheiden. Wird die Anklage doch zugelassen, wäre dies eine Richtungsentscheidung auch für andere Bundesländer. Mit der gleichen Begründung wie die des Landgerichts Frankfurt hatte zuletzt die Staatsanwaltschaft Münster 15 Ermittlungsverfahren gegen Angehörige eines Spezialeinsatzkommandos eingestellt. Auch diese Polizisten hatten Hitler-Bilder, rassistische und frauenfeindliche Inhalte sowie sexualisierte Darstellungen von Kindern und Jugendlichen in einer Whatsapp-Gruppe geteilt. Die Gruppe habe wegen ihrer überschaubaren Größe nicht den »öffentlichen Frieden« gestört, befand hier die Strafverfolgungsbehörde.

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